Dienstag, Mai 30, 2023

Pater Romuald: „Mir war die Gemeinschaft wichtig“

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Wer­ne. Fast zehn Jah­re lang hat Pater Romu­ald Hüls­ken in Wer­ne als Guar­di­an des Kapu­zi­ner­klos­ters gewirkt. Am 20. März hat er sich offi­zi­ell ver­ab­schie­det und wird sich neu­en Auf­ga­ben im Klos­ter Cle­mens­werth im Ems­land wid­men. Anke Bar­ba­ra Schwar­ze sprach mit ihm über sei­ne spi­ri­tu­el­le Hei­mat, über die aktu­el­le Kir­chen­kri­se und den anste­hen­den Ortswechsel.

Pater Romu­ald, was kam zuerst – die Ent­schei­dung, in einen Orden ein­zu­tre­ten oder der Wunsch, Kapu­zi­ner zu werden?

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Zuerst kam die Beru­fung. 1979 habe ich am Kapu­zi­ner­gym­na­si­um Bocholt mein Abitur gemacht. Schon ein Jahr zuvor fühl­te ich mich hin­ge­zo­gen zum Leben der Kapu­zi­ner. Das Leben zwi­schen Akti­on und Kon­tem­pla­ti­on kam mir ent­ge­gen. Nach dem Abitur habe ich dann immer stär­ker gespürt: Du musst aus­pro­bie­ren, ob die­ses Leben für dich geeig­net ist. Und ich wuss­te, ich muss die­sen Schritt jetzt wagen. Sonst hät­te ich nach einer Aus­bil­dung oder einem Stu­di­um den Absprung even­tu­ell nicht mehr so ein­fach geschafft. In der Pra­xis, im Novi­zi­at im Klos­ter Wer­ne, habe ich dann gemerkt: Es passt. Ein­mal habe ich auch an einem Infor­ma­ti­ons­wo­chen­en­de des Bis­tums Müns­ter teil­ge­nom­men, da ging es ums Pries­ter­amt. Aber die Tätig­keit als Gemein­de­pfar­rer hat mich nicht so ange­spro­chen. Da ist man doch oft sehr auf sich allein gestellt und mir war die Gemein­schaft wichtig.

Die Klau­sur wird auch bei den Kapu­zi­nern weni­ger streng gehand­habt als frü­her; auch das Inter­net hebt die Abge­schie­den­heit hin­ter Klos­ter­mau­ern auf. Wo fin­den Sie Ihre geis­ti­gen Rückzugsorte?

Die fin­de ich im Gebet, in der Eucha­ris­tie und in der Medi­ta­ti­on. Geis­ti­ge Rück­zugs­or­te die­nen uns als Trep­pen­ge­län­der: Es sind not­wen­di­ge Unter­bre­chun­gen, um mit Jesus auf dem Weg zu blei­ben. Für uns Kapu­zi­ner erfolgt die­ser Rück­zug im gemein­schaft­li­chen Stun­den­ge­bet. Dazu zie­hen wir uns in einen eige­nen Chor­raum hin­ter dem Altar zurück. Als Ort der Stil­le ist die­ser Chor sehr wich­tig für uns – ein Ort der Ruhe, der Besin­nung und des Ankom­mens. Und nach der Ves­per (Anm. der Redak­ti­on: das Abend­ge­bet inner­halb der kirch­li­chen Stun­den­ge­be­te) gibt es noch eine gemein­sa­me stil­le Zeit.  Wich­tig ist es, eine die Balan­ce zwi­schen Stil­le und Gespräch zu fin­den. Beim gemein­sa­men Abend­essen zum Bei­spiel erge­ben sich vie­le Gesprä­che spon­tan, wie in einer Fami­lie. Das fin­de ich sehr schön. Und manch­mal tut es übri­gens auch gut, den Com­pu­ter gar nicht erst anzustellen.

Kir­chen­aus­trit­te, Miss­brauchs­stu­di­en, Reform­syn­ode: Kir­che und Klos­ter wer­den in Deutsch­land nicht mehr selbst­ver­ständ­lich bejaht. Wie lebt es sich in die­ser Situa­ti­on als Ange­hö­ri­ger eines Ordens?

Die gan­ze Ent­wick­lung schlägt natür­lich auf uns zurück, da auch Ordens­leu­te als Ver­tre­ter der Kir­che gel­ten. Hier in Wer­ne geht es noch, aber es gibt schon kri­ti­sche Nach­fra­gen. Und zu Recht. Es sind vie­le Feh­ler gemacht wor­den – den Miss­brauch so lan­ge zu ver­tu­schen und die Betrof­fe­nen nicht ernst zu neh­men. Die Opfer sexua­li­sier­ter Gewalt lei­den schließ­lich ein Leben lang. Ein gro­ßer Feh­ler ist es jetzt, sei­ne Sün­den oder Ver­säum­nis­se nicht zuzu­ge­ben, selbst wenn sie ein­deu­tig nach­ge­wie­sen wer­den. Als ich ein­trat war die Gesamt­si­tua­ti­on der Kir­che noch eine völ­lig ande­re. Heu­te fra­gen sich gera­de jun­ge Men­schen, ob sie da noch mit­ma­chen kön­nen. Und das kann ich nach­voll­zie­hen. Es fehlt eine posi­ti­ve Per­spek­ti­ve. Unse­re christ­li­che Bot­schaft ist gut, die hat immer noch Zukunft. Aber was das Boden­per­so­nal dar­aus gemacht hat, ver­dun­kelt man­ches. Wir lie­gen mit vie­len Din­gen buch­stäb­lich daneben.

Müns­ter, Bad Mer­gen­theim, Frank­furt, Wer­ne – das waren Sta­tio­nen Ihres Ordens­le­bens. Fal­len die Orts­wech­sel manch­mal auch schwer?

Die Kapu­zi­ner sind als fran­zis­ka­ni­scher Orden aus der Armuts­be­we­gung ent­stan­den. Dazu gehör­te auch das Unter­wegs­sein, was Fran­zis­kus sehr wich­tig war. Wie jedes Sys­tem hat das sei­ne Vor- und Nach­tei­le. Orts­wech­sel sind natür­lich nicht immer leicht. Gera­de wenn ich in einer Stadt eine Auf­ga­be mit Freu­de mache, fällt der Abschied schwe­rer. So ging es mir, als ich 2004 von Wer­ne nach Frank­furt ver­setzt wor­den bin. Heu­te möch­te ich die Erfah­run­gen, die ich dann dort gemacht habe, nicht mehr mis­sen. Seit 2013 bin ich wie­der sehr gern in Wer­ne und fin­de es scha­de, weg­zu­ge­hen. Aller­dings gehö­ren Ver­set­zun­gen zu unse­rer DNA. Dadurch rei­ßen natür­lich bis­he­ri­ge Kon­tak­te ab. Ande­rer­seits muss das auch sein, sonst könn­ten kei­ne neu­en ent­ste­hen. Und es lie­gen schließ­lich neue Chan­cen vor mir. Ich bin gespannt dar­auf, was in Cle­mens­werth auf mich zukommt. Das ist der Vor­teil, in einer Gemein­schaft zu leben: Ich kann mit den Brü­dern gemein­sam schau­en, was jetzt in mei­nem Leben dran sein könnte.

Was wer­den Sie beson­ders ver­mis­sen, wenn Sie sich jetzt im März von den Men­schen in Wer­ne ver­ab­schie­den müs­sen? Und auf was schau­en Sie beson­ders gern zurück?

Ich habe hier vie­le schö­ne Begeg­nun­gen gehabt. Mit Ver­gnü­gen wer­de ich an die Gesprä­che mit den Pil­gern zurück­den­ken, die auf dem West­fä­li­schen Jakobs­weg in Wer­ne Sta­ti­on gemacht haben. Und an die vie­len Besu­che, die ich gemacht habe. Ich tau­sche mich mit ein­fach gern mit Men­schen aus. Dazu kommt, dass wir Kapu­zi­ner in Wer­ne immer star­ke Unter­stüt­zung erhal­ten, zuletzt bei der Reno­vie­rung der Klos­ter­kir­che und der Sanie­rung der Hei­zungs­lei­tun­gen. Als Bet­tel­or­den sind wir immer auf Zuwen­dun­gen von Men­schen ange­wie­sen. Die­se Hil­fe durf­te ich in Wer­ne stark und posi­tiv erfah­ren. Ver­mis­sen wer­de ich außer­dem das Plät­zer- und das Okto­ber­fest. Das Plät­zer­fest gehört zu den Tra­di­tio­nen, die schon da waren und die ich wei­ter gepflegt habe. Das habe ich immer so gehal­ten: Din­ge erst ein­mal wei­ter­zu­füh­ren. Und in Wer­ne war in die­ser Hin­sicht genug zu tun. Die­se Auf­ga­ben waren gut und erfüllend.

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