Samstag, März 25, 2023

Denkmalserie: Wo Werne Wiener Walzer lernte

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Wer­ne. Die Jun­gen der katho­li­schen Pfarr­ju­gend von St. Chris­to­pho­rus durf­ten 1953 nicht zur Tanz­schu­le Schwart­län­der gehen. „Ruth Schwart­län­der unter­rich­te­te Tän­ze, die unser dama­li­ger Dechant für unkeusch hielt“, erin­nert sich der pas­sio­nier­te Tän­zer Karl-Heinz Stengl. Anstoß erreg­te vor allem der Boo­gie-Woo­gie, ein Vor­läu­fer des Rock ’n’ Roll.

„Dabei flo­gen die Röcke der Mäd­chen, sodass man unter die Pet­ti­coats gucken konn­te“, so Stengl. Die Pfarr­ju­gend lern­te das Tan­zen im Kol­ping­haus bei einer kirch­li­cher­seits abge­seg­ne­ten Tanz­leh­re­rin. Die meis­ten Wer­ner Jugend­li­chen gin­gen jedoch zur Tanz- und Gym­nas­tik­schu­le Schwart­län­der. Die­se war in einem groß­zü­gi­gen Eck­haus an der Cap­pen­ber­ger Stra­ße unter­ge­bracht, das seit 2008 unter Denk­mal­schutz steht.

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Dr. David Gropp vom West­fä­li­schen Amt für Denk­mal­pfle­ge stuf­te das Gebäu­de damals als erhal­tens­wer­tes Bau­denk­mal ein. Es sei ein typi­sches Werk der Wer­ner Archi­tek­ten Wen­ning und Weh­mey­er. Sie ent­war­fen das Haus 1929 im damals hoch­mo­der­nen Stil der Neu­en Sach­lich­keit, des­sen Vor­rei­ter die Bau­haus-Aka­de­mie in Des­sau war. Auch die Vil­la Kroes und das Haus Schul­ze Bis­ping an der Stein­stra­ße errich­te­ten die bei­den Archi­tek­ten in die­sem Stil, den eine kla­re geo­me­tri­sche Fas­sad­en­glie­de­rung kenn­zeich­net. Hori­zon­ta­le und ver­ti­ka­le Lini­en, recht­ecki­ge For­men und Zylin­der bestim­men auch die Gestalt der ehe­ma­li­gen Tanz­schu­le Schwartländer.

Mit­tel­punkt des zwei­ge­schos­si­gen Eck­hau­ses aus Back­stein ist ein zylin­der­för­mi­ger Rund­bau. Dar­an schlie­ßen sich zu bei­den Sei­ten zwei kur­ze, ecki­ge Flü­gel­bau­ten an. Hohe Fens­ter und schma­le Strei­fen aus vor­sprin­gen­den Zie­geln beto­nen die For­men der Gebäu­de­tei­le. „Modern waren für die dama­li­gen Zei­ten auch die Zen­tral­hei­zung und die Roll­lä­den vor den Fens­tern“, sag­te sei­ner­zeit Dr. Dierck Schwart­län­der, der Sohn von Ruth Schwartländer.

Sei­ne Groß­el­tern, Emil und Ger­trud Gärt­ner, lie­ßen das Haus 1929 als Ein­fa­mi­li­en­haus bau­en. Das Gebäu­de war weit­läu­fig ange­legt, mit Her­ren­zim­mer, Zim­mer für die Haus­an­ge­stell­ten unter dem Dach und einem Musik­zim­mer in der Rotun­de. „Im Sou­ter­rain des Hau­ses rich­te­te sich sein Groß­va­ter einen Tabak­wa­ren­groß­han­del ein, der aller­dings schon bald nach der Welt­wirt­schafts­kri­se Kon­kurs anmel­den musste.

Die­ses Sou­ter­rain bau­te Gärt­ners Toch­ter nach dem Zwei­ten Welt­krieg zu einer Tanz­schu­le um. Ruth Gärt­ner absol­vier­te Ende der 1920er Jah­re eine klas­si­sche Bal­lett­aus­bil­dung in Müns­ter, wo sie spä­ter auch im Ensem­ble des Städ­ti­schen Thea­ters tanz­te. Nach ihrer Hei­rat zog sie 1938 mit ihrem Mann in die Eifel, wo 1939 der ein­zi­ge Sohn Dierck in Mon­schau zur Welt kam. 1941 fiel Ruth Schwart­län­ders Ehe­mann im Krieg, und sie kam nach Kriegs­en­de mit ihrem Sohn wie­der in ihre Hei­mat­stadt Wer­ne zurück.

Hier eröff­ne­te sie 1947 in ihrem Eltern­haus eine Schu­le für Gym­nas­tik und Bal­lett. Spä­ter kamen die Gesell­schafts­tän­ze hin­zu. Außer­dem fuhr Ruth Schwart­län­der mit einer Ves­pa samt Laut­spre­chern und Plat­ten­spie­ler über Land, um Tanz­kur­se in Enni­ger­loh und Kamen zu geben.

Über 40 Jah­re bestand die Tanz­schu­le, die Ruth Schwart­län­der bis weni­ge Jah­re vor ihrem Tod im Jahr 1984 führ­te. Danach lei­te­te ihr Lebens­ge­fähr­te Rudi Besuch die Schu­le noch eini­ge Jah­re. Dierck Schwart­län­der: „Noch nach Jahr­zehn­ten kann­te mei­ne Mut­ter die Namen ihrer ehe­ma­li­gen Tanz­schü­ler und ‑schü­le­rin­nen.“

WERN­Eplus prä­sen­tiert zusam­men mit dem Ver­ein „Freun­de des his­to­ri­schen Stadt­kerns Wer­ne” Denk­mä­ler der Lip­pe­stadt; in der gedruck­ten Zei­tung und auch online.

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