Donnerstag, Februar 15, 2024

Denkmalserie: Wo Werne Wiener Walzer lernte

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Werne. Die Jungen der katholischen Pfarrjugend von St. Christophorus durften 1953 nicht zur Tanzschule Schwartländer gehen. „Ruth Schwartländer unterrichtete Tänze, die unser damaliger Dechant für unkeusch hielt“, erinnert sich der passionierte Tänzer Karl-Heinz Stengl. Anstoß erregte vor allem der Boogie-Woogie, ein Vorläufer des Rock ’n’ Roll.

„Dabei flogen die Röcke der Mädchen, sodass man unter die Petticoats gucken konnte“, so Stengl. Die Pfarrjugend lernte das Tanzen im Kolpinghaus bei einer kirchlicherseits abgesegneten Tanzlehrerin. Die meisten Werner Jugendlichen gingen jedoch zur Tanz- und Gymnastikschule Schwartländer. Diese war in einem großzügigen Eckhaus an der Cappenberger Straße untergebracht, das seit 2008 unter Denkmalschutz steht.

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Dr. David Gropp vom Westfälischen Amt für Denkmalpflege stufte das Gebäude damals als erhaltenswertes Baudenkmal ein. Es sei ein typisches Werk der Werner Architekten Wenning und Wehmeyer. Sie entwarfen das Haus 1929 im damals hochmodernen Stil der Neuen Sachlichkeit, dessen Vorreiter die Bauhaus-Akademie in Dessau war. Auch die Villa Kroes und das Haus Schulze Bisping an der Steinstraße errichteten die beiden Architekten in diesem Stil, den eine klare geometrische Fassadengliederung kennzeichnet. Horizontale und vertikale Linien, rechteckige Formen und Zylinder bestimmen auch die Gestalt der ehemaligen Tanzschule Schwartländer.

Mittelpunkt des zweigeschossigen Eckhauses aus Backstein ist ein zylinderförmiger Rundbau. Daran schließen sich zu beiden Seiten zwei kurze, eckige Flügelbauten an. Hohe Fenster und schmale Streifen aus vorspringenden Ziegeln betonen die Formen der Gebäudeteile. „Modern waren für die damaligen Zeiten auch die Zentralheizung und die Rollläden vor den Fenstern“, sagte seinerzeit Dr. Dierck Schwartländer, der Sohn von Ruth Schwartländer.

Seine Großeltern, Emil und Gertrud Gärtner, ließen das Haus 1929 als Einfamilienhaus bauen. Das Gebäude war weitläufig angelegt, mit Herrenzimmer, Zimmer für die Hausangestellten unter dem Dach und einem Musikzimmer in der Rotunde. „Im Souterrain des Hauses richtete sich sein Großvater einen Tabakwarengroßhandel ein, der allerdings schon bald nach der Weltwirtschaftskrise Konkurs anmelden musste.

Dieses Souterrain baute Gärtners Tochter nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Tanzschule um. Ruth Gärtner absolvierte Ende der 1920er Jahre eine klassische Ballettausbildung in Münster, wo sie später auch im Ensemble des Städtischen Theaters tanzte. Nach ihrer Heirat zog sie 1938 mit ihrem Mann in die Eifel, wo 1939 der einzige Sohn Dierck in Monschau zur Welt kam. 1941 fiel Ruth Schwartländers Ehemann im Krieg, und sie kam nach Kriegsende mit ihrem Sohn wieder in ihre Heimatstadt Werne zurück.

Hier eröffnete sie 1947 in ihrem Elternhaus eine Schule für Gymnastik und Ballett. Später kamen die Gesellschaftstänze hinzu. Außerdem fuhr Ruth Schwartländer mit einer Vespa samt Lautsprechern und Plattenspieler über Land, um Tanzkurse in Ennigerloh und Kamen zu geben.

Über 40 Jahre bestand die Tanzschule, die Ruth Schwartländer bis wenige Jahre vor ihrem Tod im Jahr 1984 führte. Danach leitete ihr Lebensgefährte Rudi Besuch die Schule noch einige Jahre. Dierck Schwartländer: „Noch nach Jahrzehnten kannte meine Mutter die Namen ihrer ehemaligen Tanzschüler und -schülerinnen.“

WERNEplus präsentiert zusammen mit dem Verein „Freunde des historischen Stadtkerns Werne” Denkmäler der Lippestadt; in der gedruckten Zeitung und auch online.

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