Samstag, Juni 3, 2023

Musikfreunde Werne: Seit über 50 Jahren Freude an der Musik

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Ob Wer­ne wirk­lich ein „musi­ka­li­sches Brach­land“ war, wie es ein Zei­tungs­be­richt zur Grün­dung der Gesell­schaft der Musik­freun­de nann­te, soll dahin­ge­stellt blei­ben. Auf jeden Fall emp­fan­den sechs Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, dass eine kon­zer­tan­te Berei­che­rung des kul­tu­rel­len Lebens der Stadt gut tun würde.

In die­ser Absicht tra­fen sie sich am 16. Febru­ar 1970 in der Gast­stät­te Rohr­kamp: Gise­la Schrö­der, Dr. Theo­dor Hol­len­ders, Rein­hold Stock­brüg­ger, Erna Krapp, Dr. Claus Pott­hoff und Jos­sy Stei­len. Wie in einem Bericht zum zehn­jäh­ri­gen Jubi­lä­um amü­sant erzählt wird, trug jeder Betei­lig­te sein Päck­chen an Beden­ken mit sich her­um. Doch jeder gab sich „beträcht­li­che Mühe, den Kul­tur­op­ti­mis­mus der ande­ren zu hät­scheln, die eige­nen Zwei­fel jedoch takt­voll zu verbergen“.

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Immer­hin teil­ten 50 wei­te­re Kon­zert­lieb­ha­ber in Wer­ne die Bestre­bun­gen und erklär­ten, einer musi­ka­li­schen Gesell­schaft bei­tre­ten zu wol­len. Außer­dem bewil­lig­te der Finanz­aus­schuss für die ers­te Sai­son 1970/71 einen Zuschuss von bis zu 5.000 DM für sechs Kon­zer­te. Auf die­ser finan­zi­el­len und per­so­nel­len Basis grün­de­te sich die Gesell­schaft der Musik­freun­de am 21. Mai 1970 im Hotel „Cen­tral­hof“ mit 76 Mitgliedern.

Geis­ti­ger Vater der Musik­freun­de war Jos­sy Stei­len. Als Gei­ger des Phil­har­mo­ni­schen Orches­ters Dort­mund ver­füg­te er über not­wen­di­ge Kon­tak­te in die klas­si­sche Musik­sze­ne. „Daher lag zunächst der Schwer­punkt auf kam­mer­mu­si­ka­li­scher Streich­mu­sik“, erin­nert sich die stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de Anne Höttcke. Ohne­hin ver­füg­te Wer­ne zu der Zeit nicht über geeig­ne­te Räu­me für gro­ße Orchester.

1997 wur­de der lang­jäh­ri­ge künst­le­ri­sche Lei­ter der Musik­freun­de, Jos­sy Stei­len (rechts), mit dem Kul­tur­preis Stadt Wer­ne aus­ge­zeich­net. Der dama­li­ge Bür­ger­meis­ter Mein­hard Wich­mann nahm die Ehrung vor. Foto: Archiv der Musikfreunde

Die Stadt stell­te auf Wunsch der Musik­freun­de den Bür­ger­saal im Alten Rat­haus für die Kam­mer­kon­zer­te zur Ver­fü­gung. Da das his­to­ri­sche Gebäu­de aber zu der Zeit umfang­reich restau­riert wur­de, muss­ten die Musik­freun­de zunächst auf die Aula der Städ­ti­schen Real­schu­le aus­wei­chen. Dort fand am 24. Sep­tem­ber 1970 das ers­te Kon­zert statt. Es spiel­te das Schäf­fer-Quar­tett aus Düsseldorf.

Die wei­te­ren Kon­zer­te der Sai­son bedien­ten sich, wenn es die Beset­zung erfor­der­te, eines gelie­he­nen Kon­zert­flü­gels. 1971 konn­ten die Musik­freun­de mit­hil­fe von Spon­so­ren einen eige­nen Stein­way anschaf­fen. „Die Kon­zer­te ent­wi­ckel­ten sich bald zum Selbst­läu­fer“, erzählt die amtie­ren­de Vor­sit­zen­de Dr. Susan­ne Ved­der. In den Gäs­te­bü­chern der Musik­freun­de fin­den sich illus­tre Namen wie Jus­tus Frantz, Micha­el Pon­ti, Det­lev Eisin­ger und Miri­jam Cont­zen oder die Rus­si­sche Kam­mer­phil­har­mo­nie St. Petersburg.

„Vor der Coro­na­pan­de­mie gab es kein Jahr, in dem ein Kon­zert nicht statt­fin­den konn­te“, berich­tet Ved­der. Schon wäh­rend der ers­ten Jah­re erreg­te die Kon­zert­rei­he über­re­gio­na­le Auf­merk­sam­keit. Der WDR nahm in der Sai­son 1979/1980 eine Rei­he von Kon­zer­ten der Musik­freun­de in Wer­ne auf und über­trug sie – zeit­ver­setzt – in der Sen­de­rei­he „Kam­mer­kon­zer­te in NRW“.

Ein­trä­ge aus den Gäs­te­bü­chern der Musik­freun­de. Der Pia­nist Mal­colm Fra­ger ver­ewig­te sich gleich zwei­mal, 1975 und 1987, mit sei­nen Noten. Foto: Archiv der Musikfreunde

Seit 1973 spie­len die Musi­ker und Musi­ke­rin­nen im Bür­ger­saal des Alten Rat­hau­ses. Seit­dem sind die „Rat­haus­kon­zer­te“ ein geflü­gel­ter Begriff in Wer­ne. Susan­ne Ved­der: „Die Musi­ker mögen die Atmo­sphä­re, auch wenn die Akus­tik kei­nen fal­schen Ton ver­zeiht.“ Außer­dem wür­den die Künst­ler schät­zen, dass sie nach dem Kon­zert den Resta­bend nicht allein im Hotel ver­brin­gen müs­sen: „Wir gehen gemein­sam essen und reden dabei über Gott und die Welt und über Musik.“ Aus sol­chen Begeg­nun­gen wur­den neue Kon­zer­te gebo­ren. So zeig­te sich das Ven­tus-Quin­tett begeis­tert von der Idee der Fami­li­en­kon­zer­te und ver­sprach, selbst eines beizusteuern.

Mit den Fami­li­en­kon­zer­ten beschrit­ten die Musik­freun­de 2010 neue Wege. Klas­si­sche Musik nicht nur zu hören, son­dern auch erklärt zu bekom­men – dar­um ging es in der ers­ten Fami­li­en-Mati­née, die die Musik­freun­de Wer­ne und die Peter-Pohl­mann-Stif­tung 2010 im Alten Rat­haus ver­an­stal­te­ten. Die Musik­freun­de wol­len ein jun­ges Publi­kum an klas­si­sche Musik her­an­füh­ren und leg­ten das Kon­zert mit dem Blä­ser­en­sem­ble „Embras­sy-Quin­tett“ auf eine fami­li­en­freund­li­che Zeit am Sonn­tag­vor­mit­tag. In den ers­ten Jah­ren hat­te sich der Vor­stand etwas mehr Zuhö­rer erhofft. Hart­nä­ckig rühr­ten die Musik­freun­de die Wer­be­trom­mel. „Wir haben bei­spiels­wei­se auf dem Markt gestan­den und das Fami­li­en­kon­zert ange­prie­sen“, erin­nert sich Anne Höttcke. Inzwi­schen haben sich die Mati­né­en zu einer Ver­an­stal­tung eta­bliert, zu der Fami­li­en nicht nur gehen, um Musik zu hören. „Man bleibt nach dem Kon­zert noch zusam­men, um sich zu tref­fen“, erzählt Susan­ne Vedder.

Der Vor­stand der Musik­freun­de heu­te (v.l.): Kor­ne­lia Reckers (Bei­sit­ze­rin), Dr. Susan­ne Ved­der-Lau­renz (1. Vor­sit­zen­de), Peter Pohl­mann (Geschäftsführer), Anne Höttcke (1. stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de), Huber­tus Stei­ner (Künst­le­ri­scher Lei­ter), Dr. Hei­ke Rüping (Bei­sit­ze­rin, fehlt). Foto: Anke Schwarze

Die Atmo­sphä­re ist locker und lässt Hemm­schwel­len vor klas­si­scher Musik gar nicht erst auf­kom­men. Die Kin­der hocken auf Turn­mat­ten direkt vor der Büh­ne. Die ein­ge­la­de­nen Künst­ler haben sich auf ihr klei­nes Publi­kum spezialisiert.

Dank einer Spen­den­ak­ti­on konn­ten die Musik­freun­de vor eini­gen Jah­ren einen neu­en Stein­way B‑Flügel anschaf­fen. Bür­ge­rin­nen und Bür­ger betei­lig­ten sich am vir­tu­el­len Kauf von 88 Tas­ten. Höttcke: „Über­haupt ver­dan­ken wir unse­ren Spon­so­ren, dar­un­ter ört­li­che Geschäfts­leu­te und Ban­ken, sowie der För­de­rung durch die Stadt und den Kreis Unna sehr viel.“

Wegen der Coro­na­pan­de­mie muss­ten vie­le Kon­zer­te aus­fal­len; für Sep­tem­ber und Okto­ber 2020 ange­setz­te Ver­an­stal­tun­gen konn­ten mit begrenz­ter Zuhö­rer­zahl statt­fin­den. Seit Sep­tem­ber 2021 ist der Kon­zert­be­trieb wie­der ange­lau­fen. „Für 2022 pla­nen wir eine nor­ma­le Sai­son“, sagt Ved­der. Zunächst sei­en Musi­ker ein­ge­la­den wor­den, denen zuvor abge­sagt wer­den musste.

Jetzt steht erst ein­mal in gut zwei Wochen ein Son­der­kon­zert am 16. Janu­ar 2022 an. „Es spielt die Deut­sche Kam­mer­phil­har­mo­nie Bre­men mit dem Vio­li­nis­ten Dani­el Sepec. Auf dem Pro­gramm steht „The Pur­ple Sea­sons – Musik von Vival­di und Jimi Hendrix“.

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