Samstag, März 25, 2023

Pietà kehrt im November zurück in St. Konrad-Kapelle

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Wer­ne. Wie sich eine spät­go­ti­sche Pie­tà in die aus den 1950er-Jah­ren stam­men­de Kir­che St. Kon­rad ver­irrt hat, kann Pfarrd­e­chant Jür­gen Schä­fer nicht mehr rekon­stru­ie­ren. Tat­sa­che ist, dass ihm die Skulp­tur vor dem Abriss des Kir­chen­schiffs auf dem Köt­ters­berg in einem Sei­ten­schiff auf­fiel. „Sie stand hin­ten in der Ecke, man konn­te Ker­zen vor ihr anzün­den“, erin­nert er sich. Die Figur sprach ihn an und er beschloss, sie restau­rie­ren zu las­sen. Im Novem­ber soll sie wie­der zurück­keh­ren – als Aus­stat­tung der Kapel­le, die im Turm der ehe­ma­li­gen Kir­che St. Kon­rad ein­ge­rich­tet wird. Bis dahin steht die Figur gut geschützt in der Werk­statt der Restau­ra­to­rin­nen Anne-Sophie Hin­nüber-Eysing und Patri­cia Schering.

Schä­fer hat­te die Pie­tà – eine Dar­stel­lung der trau­ern­den Maria mit dem Leich­nam ihres Soh­nes auf dem Schoß – für eine früh­ba­ro­cke Dar­stel­lung gehal­ten. Wäh­rend der Restau­rie­rung stell­te sich her­aus, dass die Skulp­tur aus Eichen­holz vor 1500 ent­stan­den ist. So lau­tet die Datie­rung von Dr. Rein­hard Kar­ren­b­rock, Wis­sen­schaft­li­cher Refe­rent in der Kunst­pfle­ge im Bis­tum Müns­ter. Dafür sprach sich auch die Müns­te­ra­ner Restau­ra­to­rin Elke Mef­fert-Sig­rist aus. Sie koope­rier­te mit Hin­nüber-Eysing und Sche­ring bei den Arbei­ten an der Pietà.

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Die Figur war nicht beschä­digt, aber stark ver­rußt – das Schick­sal von Objek­ten, die täg­lich im Dunst­kreis bren­nen­der Ker­zen ste­hen. „Zunächst muss­ten wir den lose auf­lie­gen­den Schmutz  abneh­men“, erklärt Patri­cia Sche­ring und hält ein Schwämm­chen aus Natur­kau­tschuk hoch. Es hat etwa die Grö­ße eines Kar­ten­spiels und nimmt Schmutz­par­ti­kel scho­nend auf. Das heißt bei Holz­ob­jek­ten: ohne Was­ser. „Feuch­tig­keit schä­digt stär­ker als man denkt, daher ver­su­chen wir, soviel wie mög­lich tro­cken auf­zu­neh­men.“ Ver­un­rei­ni­gun­gen, die fest auf dem Holz haf­te­ten, nah­men die Restau­ra­to­rin­nen mit spe­zi­el­len Ten­si­den ab. Hier kamen Wat­te­dre­her – eine Art selbst­ge­dreh­ter Wat­te­stäb­chen – zum Ein­satz. Damit konn­ten die Exper­tin­nen in die kleins­ten Rit­zen von Fal­ten oder Locken gelangen.

Detailaufnahme der Pieta. Foto: Dr. Anke Schwarze
Detail­auf­nah­me der Pie­tà. Foto: Dr. Anke Schwarze

„Außer­dem tes­ten wir jedes Mit­tel an ver­deck­ten Stel­len, um sicher­zu­ge­hen, dass es den Kunst­wer­ken nicht scha­det“, sagt Hin­nüber-Eysing. Sie und ihre Geschäfts­part­ne­rin sind aka­de­misch aus­ge­bil­de­te Restau­ra­to­rin­nen. Die Werk­statt in Coes­feld füh­ren sie seit 2019 gemein­sam. Spe­zia­li­siert haben sie sich auf die Restau­rie­rung von Gemäl­den und Holz­skulp­tu­ren. „Also im Grund alles, was gefasst, gerahmt und nicht aus Stein gefer­tigt ist“, sagt Sche­ring. „Gefasst“ bedeu­tet in der Fach­spra­che „mit einer Bema­lung ver­se­hen“. So wie die Pie­tà aus St. Kon­rad. Die Fas­sung, die nach der Restau­rie­rung wie­der in vol­ler Pracht zu sehen ist, stammt aus dem 19. Jahr­hun­dert. Die ursprüng­li­che mit­tel­al­ter­li­che Bema­lung ist unter spä­te­ren Farb­schich­ten verschwunden.

Nur an weni­gen Stel­len haben Hin­nüber-Eysing und Sche­ring in die his­to­ri­sche Bema­lung ein­ge­grif­fen. „Und zwar nur dort, wo spä­ter retu­schiert wor­den ist“, betont Sche­ring. Die­se unsach­ge­mäß auf­ge­tra­ge­nen Nach­bes­se­run­gen stör­ten das Gesamt­bild, da sie im Farb­ton dunk­ler waren. Vor­sich­tig haben die Restau­ra­to­ren die retu­schier­ten Par­tien ange­gli­chen. Die Unter­schie­de sind mit blo­ßem Auge kaum zu erken­nen. Erst, als Hin­nüber-Eysing eine UV-Lam­pe auf punk­tu­el­le Stel­len rich­tet, heben sich die älte­ren Farb­schich­ten hell von den Ver­bes­se­run­gen ab.

UV-Licht macht alte Bemalung aus 19. Jh sichtbar. Foto: Dr. Anke Schwarze
UV-Licht macht alte Bema­lung aus 19. Jh sicht­bar. Foto: Dr. Anke Schwarze

Die Rück­sei­te der Pie­tà lässt erken­nen, dass sie im Mit­tel­al­ter vor einer Wand oder in einer Nische gestan­den haben muss. Denn die­se Sei­te wur­de nicht voll­endet. Statt­des­sen blickt man in einen aus­ge­höhl­ten Holz­block, des­sen Mase­rung eine Eiche erah­nen lässt. „Schnitz­fi­gu­ren wie die­se wur­den oft aus­ge­höhlt, damit das Holz nicht reißt“, erklärt Hin­nüber-Eysing. Dass die Pie­tà nicht voll­plas­tisch aus­ge­ar­bei­tet wur­de, erklärt sich aus ihrer Funk­ti­on als Andachts­bild: Dar­un­ter ver­ste­hen Kunst­his­to­ri­ker Ein­zel­fi­gu­ren oder klei­ne Figu­ren­grup­pen, die Gläu­bi­ge zur from­men Medi­ta­ti­on anre­gen soll­ten. Die­se Moti­ve soll­ten nicht als Kunst­werk von jeder Sei­te betrach­tet wer­den; sie soll­ten von vorn geschaut wer­den, um sich in ihre Stim­mung zu versenken.

Die Pie­tà wird in der Kapel­le zusam­men mit einer moder­nen, kunst­hand­werk­li­chen Holz­fi­gur des hei­li­gen Kon­rad von Par­zham ste­hen. Auch er wird der­zeit im Restau­rie­rungs­ate­lier „Eysing & Sche­ring“ über­ar­bei­tet. Da die holz­sich­ti­ge Skulp­tur in ihrer honig­gel­ben Lasur nicht opti­mal ins grau-wei­ße Farb­kon­zept der Kapel­le passt, wer­den Anne-Sophie Hin­nüber-Eysing und Patri­cia Sche­ring sie mit einem trans­pa­ren­ten Über­zug vor­sich­tig abtön­ten. „Die­se Lasur ist aber rever­si­bel“, stellt Sche­ring klar, „dass heißt sie kann jeder­zeit rück­gän­gig gemacht werden.“

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