Werne. Zu Beginn der Fastenzeit lud die Stiftung Musica Sacra Westfalica am Sonntag (18. Februar) zu einem Passionskonzert, das nicht nur das Leiden Christi erfahrbar machte. Vielmehr ging es auch um die Wunden unserer Gegenwart.
„Unser Programm schlägt eine Brücke zu Hass und Gewalt gegen Mensch und Natur in der heutigen Welt“, erklärte Günther Wiesemann vom „trio contemporaneo“ vor 50 Zuhörerinnen und Zuhörern in der St. Christophorus-Kirche. Seine Person war sozusagen der Scheitelpunkt dieses Brückenschlags. Der für seine Kompositionen mehrfach ausgezeichnete Pianist und Organist führte seine Werke „Besinnung, Besingung“ und „crucificato“ auf, umrahmt von Bach, Dushkin/Benda und Liszt. Damit erfüllten Wiesemann und sein „trio contemporaneo“ den in ihrem Namen anklingenden Spielplan: Das italienische „contemporaneo“ bedeutet „gleichzeitig“.
Im Falle der drei Aufführenden – Wiesemann (Orgel und Schlagwerk), Benjamin Nachbar (Violine) und Olga Shonurova (Orgel) – heißt das nicht nur, dass klassische und moderne Musik in einem Konzert erklingen. Es bedeutet auch, dass mehrere Instrumente von einer Person übernommen werden. In diesem Fall Schlagwerke wie Triangel, Becken und Gong von Wiesemann und von Shonurova. Eine bittersüße Innigkeit kennzeichnete die beiden Stücke, die das erste Werk von Wiesemann einrahmten: Max Regers „Aria O Mensch, bewein dein Sünde groß“ nach dem Choralvorspiel BWV 622 von Johann Sebastian Bach und das dem böhmischen Komponisten Jiri A. Benda zugeschrieben „Grave e-moll“ in einer Bearbeitung des US-amerikanischen Geigers Samuel Dushkin.
Sehr behutsam und betont kosteten die Organistin Shonurova und der Violinist Nachbar die Aria aus, intonierten zart und gleichzeitig raumfüllend. Wiesemanns „Besinnung, Besingung“ griff die nachdenkliche Stimmung auf. Nur das jetzt die Orgel fehlte und der fast schmerzerfüllte Klang der Geige von Schlaginstrumenten begleitet wurde. Angeschlagen wurden sie von Wiesemann und Shonurova wie meditative Impulse, deren Schallwellen durch den Kirchenraum strömten – vom leisen Vibrieren zum sirrenden Flirren, von kräftigen Gongschlägen zum sachten Tupfen des Bogens auf die Violinsaiten. Das Largo aus Bachs Sonate Nr. 4 c-moll für Violine und Orgel (im Original Cembalo) griff die bedachtsame Atmosphäre noch einmal auf, bevor das Allegro in Form eines munteren Reigens einen Gegenpol setzte. Wie Tänzer schienen sich Violine und Orgel mit graziösen Schritten umeinander zu drehen.
Wiesemanns „crucificato“ ist eine Passionsmusik für Violine, Orgel, Sprecher und Schlaginstrumente. Mit Noten und Worten deutet der Komponist den Bach-Choral „O Welt, sieh hier dein Leben am Stamm des Kreuzes schweben“ auf moderne Weise. Dabei werden die Schlaginstrumente nicht nur zu rhythmischen Zwecken eingesetzt. „Sie stehen auch für die Wunden, die wir uns und unserer Welt schlagen“, sagte Wiesemann. Und türmte Orgelklänge wie Gewitterwolken auf, ließ dunkle Tiefen pulsieren, bis hohe Lagen für peinigende Einschnitte sorgten. Die Violine spiegelte diese Zerrissenheit wider. Bisweilen klang wie von Ferne der Bach’sche Choral durch, wurde jedoch unmittelbar durch klirrende und rasselnde Perkussionsinstrumente konterkariert.
Nach einem kurzen Moment der Besinnung erhob sich die Orgel dann zur Einleitung der Kreuzandachten von Franz Liszt. Wiesemann ließ sie wie eine mächtige Beschwörung von Trost erklingen.
VORSCHAU
Das nächste Konzert der Stiftung Musica Sacra Westfalica findet am 24. März, Palmsonntag, statt. Ab 17 Uhr gibt Kantor Dr. Hans-Joachim Wensing in St. Christophorus in Werne ein Konzert mit Bearbeitungen zu Passionsliedern.