Werne. Die Bad-Tradition in Werne ist inzwischen eineinhalb Jahrhunderte alt. Dr. Anke Barbara Schwarze, promovierte Historikerin und WERNEplus-Redakteurin, wirft einen Blick zurück in die 150 Jahre alte Geschichte
Juli 1874: Das „Thermalbad zu Werne an der Lippe“ wird am 28. Juli unter großer Beteiligung der Bürger an der Münsterstraße (B 54) eröffnet. Gespeist wird der Betrieb aus warmen Solequellen, die zufällig entdeckt worden waren: Im Zuge der Industrialisierung hatte die „Bohrgesellschaft Freiherr vom Stein“ im Winter 1873 mit Probebohrungen an der Straße nach Münster begonnen. Die Bohrung erschloss bei einer Teufe von 548 Metern jedoch keine Kohle, sondern eine gasreiche Solequelle.
Das etwa 30 Grad warme Wasser schoss mit solcher Kraft heraus, dass die Bohrarbeiten eingestellt wurden. Kurze Zeit darauf stellte der in Nähe wohnende Stellmacher Wiepen fest, dass ein Bad in der Sole seine Gichtschmerzen merklich linderte. Der Werner Arzt Dr. Franz Hövener berichtete Ähnliches von einer rheumakranken Frau, die jeden zweiten Tag in dem Wasser badete. Anfang Juli bat der Vorsitzende der Bohrgesellschaft, Dr. Müller, in einem Schreiben an den Stadtrat um die Genehmigung zur Errichtung einer Badeanlage. Bürgermeister Thiers war sofort bereit.
Die Bohrgesellschaft ließ die Solequelle in einer Tiefe von 50 Metern neu fassen. Sie richtete acht Badezellen ein, in denen Menschen, die Linderung suchen, die Heilkraft der Sole nutzen können. Damit ist Werne ein Badeort. Nicht alle Bürger sind zunächst von dieser Tatsache begeistert. Vor allem Hausfrauen beklagen sich darüber, dass sie nicht mehr in der Horne waschen könnten, weil durch das in den Bach abfließende Solewasser die Wäsche braun werde. Andere wiederum beschweren sich darüber, dass das salzhaltige Solewasser das Weichwerden von Erbsen und Bohnen verhindere, wenn diese im Hornewasser aufquellen sollten.
1887 entstand an der Münsterstraße außerdem eine Heilanstalt für „skrofulöse“ Kinder (Anmerkung: Skrofulose ist eine historische Bezeichnung für bestimmte Hautkrankheiten, u.a. die Hauttuberkulose). Das Vincenzstift verfügt bereits 1896 über mehr als 600 Schlafplätze. Die kleinen Patienten stammen größtenteils aus den Industrieregionen des Ruhrgebiets.
1905 ist der Traum vom „Bad Werne“ bereits ausgeträumt: Im Zusammenhang mit der Erschließung neuer Kohlefelder durch die Zeche versiegt die Solequelle.
Sommer 1926: Bürgermeister Johannes Ohm eröffnet am Hagen das erste Freibad von Werne, im Beisein von Ratsmitgliedern, Vereinen, Schulklassen und einer Vielzahl von Bürgern. Die einfache Badeanstalt verfügt über ein kombiniertes Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken. Als erstes probieren die Schwimmer des Turnvereins das neue Bad aus. Der TV Werne hatte bereits ein Jahr zuvor eine Schwimm- und Wasserballabteilung eingerichtet. Zur Einweihung des neuen Bades haben die Schwimmer nun eine Reihe von Darbietungen einstudiert, die sie zu den Klängen des Stadtorchesters präsentierten. Als Schwimmmeister wird Karl Wagner eingestellt. Dank der Badeanstalt können die Schwimmer und Wasserballer des TV regelmäßig trainieren und sich auf Wettkampf-Niveau hocharbeiten.
1935: Seit diem Jahr wird Sole aus der Zeche Werne hochgepumpt und versorgt das Freibad, das jetzt Warmquellen-Solebad heißt. In der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre erhält das Freibad nach und nach jenes Aussehen, das den Badegästen bis zum Abriss 1986 vertraut bleiben wird: Das alte Becken wird zum reinen Schwimmbecken umgebaut, ein eigenes Nichtschwimmerbecken sowie ein Planschbecken für Kinder werden angelegt. Die Liegewiesen werden erweitert.
1937/38 schließlich erhält das Bad einen repräsentativen Eingangsbau inklusive großzügiger Umkleidekabinen und Duschen. Über dem Umkleidebereich lädt eine großzügige Dachterrasse zum Verweilen ein. Sie gibt dem „Terrassenfest“ des TV Werne seinen Namen. Ein zweites größeres Schwimmbecken und Sprunganlagen machen das Freibad ein Jahr später noch attraktiver.
1960: Die Seilfahrt im Schacht III in Rünthe wird eingestellt. Der Schacht dient als Wetterschacht; außerdem wird Sole hochgepumpt, um die angrenzenden Reviere der Zechen Haus Aden/Monopol und Heinrich Robert trocken zu halten. Die Pumpstation versorgt das Werner Bad daher weiterhin mit Solewasser.
Mai 1975: Das Hallenbad bereichert die Badelandschaft in Werne. Seine Eröffnung beendete eine Ära in Wernes Sportlandschaft: Die Wasserballer des TV Werne gehörten nun nicht mehr zu den „Vereinen ohne Winterbad“. In dieser Klasse waren die Herren zwischen 1956 und 1972 neun Mal Deutscher Meister geworden.
1984: Das Land NRW bewilligt einen Zuschuss von über vier Millionen DM für den vom Stadtrat beschlossenen Ausbau des Solebads, da dieses „eine Versorgungsfunktion für die gesamte Umgebung von Dortmund über Hamm und Unna bis Münster“ erfülle. Das Freibad aus den 30er-Jahren wird 1986 abgerissen.
Juli 1988: Nach einer zweijährigen Umbauphase hat das Freibad ein völlig neues Gesicht erhalten. Verschwunden ist die alte Badelandschaft mit ihren Gebäuden aus den 1930er-Jahren. An ihre Stelle tritt ein Bad mit modernen Becken, darunter ein wettkampffähiges Sportbecken. Der großzügig angelegte Solebereich mit Sprudelanlagen und Massagedüsen erfreut sich schnell überregionaler Beliebtheit. Die Neueröffnung wird groß gefeiert. Als besondere Attraktion schweben vier Fallschirmspringer herab und landen im Sportbecken. Unter ihnen: Turnweltmeister Eberhard Gienger. Die Wasserballer beleben am 5. August 1989 erfolgreich die alte Tradition der Terrassenfeste.
1990: Die Freibadbesucher können sich dort sonnen, wo bisher die Mitglieder des Tennisclubs Blau-Weiß ihre Filzbälle über das Netz jagen. Um 3.500 Quadratmeter wurde die Liegewiese des Freibads auf dem ehemaligen Tennisplatz erweitert. Der Tennisclub zieht um zur Pagensstraße.
September 1991: Die Werner Bürger haben nicht mehr die Qual der Wahl zwischen Hallen- und Freibadbesuch. Beide Einrichtungen werden zu einem Gesamtbad zusammengeschlossen. Die Bad-Erweiterung bedeutete auch das Ende des alten Ascheplatzes „Am Hagen“. Im Mai begann der Umbau des Sportplatzes zum erweiterten Parkplatz für das Solebad.
1993: Die geplante Schließung der Zeche Haus Aden/Monopol betrifft das Werner Solebad, das quasi am „Tropf“ der RAG hängt. Nach wie vor wird das Bad von der Pumpstation am Schacht III in Rünthe mit Sole versorgt. Bezahlen muss Werne die Sole nicht, da die Kosten für die Förderung zu den laufenden Betriebskosten der RAG zählt. Eine Übernahme der Pumpstation durch die Stadt wäre mit Kosten verbunden, die selbst Sole-Fans für „gesalzen“ halten dürften.
November 1996: Nach mehrmonatiger Bauzeit wird die neue Saunalandschaft eröffnet. Zäune und Büsche schützen die Besucher außerdem vor neugierigen Blicken von außen.
Mai 2000: Die Ruhrkohle-AG stoppt die Sole-Lieferung aus der Rünther Schachtanlage. Per Tanklaster wird die Sole von nun an aus Niedersachsen angeliefert.
12. April 2015: Für mehrere Jahre müssen sich die Werner von ihrem Solebad verabschieden. Für einen Apriltag herrscht am Sonntag ideales Badewetter, als etwa 2.000 Besucher und Besucherinnen Abschied nehmen vom Natur-Solebad Werne, das sie in dieser Form nicht mehr wiedersehen werden. Die Sonne scheint und der etwas kühle Wind stört nicht, denn im Sole-Außenbecken herrscht wie gewohnt angenehme Wärme. Trotzdem stiegen die Badenden mit Wehmut ins Wasser. Über jedem Schwimmzug hing der Gedanke „zum letzten Mal“. Im Mai begann dann der Umbau der
Badelandschaft. Zwei Jahre sollte er dauern, letztlich wurden vier daraus.
April 2019: Fast auf den Tag genau vier Jahre nach der Schließung des alten Solebads öffnet am Wochenende das neue. Am Samstag, 13. April 2019, war Tag der offenen Tür, am Sonntag dann der langersehnte erste Badetag. Die Freude bei den Werner Bürgerinnen und Bürgern war groß: endlich wieder mit den Kindern vor Ort ins Wasser, endlich wieder die entspannende Sole genießen können.
Ende Juli 2024: Das Solebad Werne begeht in diesem Jahr sein 150. Jubiläum. Höhepunkt der Feierlichkeiten ist das Wochenende 27./28. Juli. Am Sonntag steigt die große Familien-Sommerparty im Freibad. Tags zuvor findet das Sponsorenschwimmen zugunsten der Aktion „Werne lernt schwimmen“ sowie eine Sause für Alle mit Essen, Trinken und DJ statt.