Werne. Die Ursprünge der Werner Stadtprozession standen vor 400 Jahren im Zeichen des Krieges – ebenso wie in diesem Jahr die Jubiläumsfeier. Damals war es der Dreißigjährige Krieg, heute war es der Ukrainekrieg, der seine Schatten bis auf den sonnenbeschienen Werner Kirchplatz warf. „Wir erleben gerade, dass der Friede, wie wir ihn seit Jahrzehnten in der Europäischen Union erleben, keine Selbstverständlichkeit ist“, mahnte Bürgermeister Lothar Christ.
Die Stadtprozession lief so ab, wie es sich seit Jahrhunderten bewährt hat. Zur Feier des 400-jährigen Jubiläums wurde allerdings die Eucharistiefeier, die der Erfüllung des bürgerlichen Gelübdes den christlichen Rahmen gab, aufwendiger als üblich gestaltet. Der päpstliche Stellvertreter für Deutschland, der Nuntius Erzbischof Dr. Nikola Eterović, erwies Wernes Bürger die Ehre, der Messe vorzustehen.
Auch Dr. Felix Genn, Bischof von Münster, hatte die Einladung zur Jubiläumsprozession „in einer der Urpfarren seines Bistums mit Freuden angenommen“. Und so war es eine große Schar kirchlicher Würdenträger, die zu brausenden Orgelklängen in die St. Christophorus-Kirche einzog – hinter den Fahnenabordnungen von Schützenvereinen und kirchlichen Vereinen.
Vertreter aus Rat und Verwaltung nahmen an der Prozession ebenso teil wie die Bundestagsabgeordneten Michael Thews und Hubert Hüppe sowie Landrat Mario Löhr und Heimatministerin Ina Scharrenbach. Außerdem gaben sich ein paar Bürger aus den Jahren 1622 und 1623 die Ehre: Mitglieder der Spielschar des Stadtspiels, das am kommenden Wochenende aufgeführt wird, kamen in historischen Kostümen.

Eterović interpretierte in seiner Predigt die Ereignisse des Jahres 1622 christlich und las sie „durch die Optik des Mitgefühls Jesu mit den Werner Bürgern“. Bürgermeister Lothar Christ nannte dagegen in seiner Ansprache zwischen den beiden Prozessionsgängen die knappen Fakten. Trotz eines Schutzbriefs hatten Soldaten des gefürchteten tollen Christian, des Herzogs von Braunschweig, Wernes Stadtmauer angegriffen. Dass die Stadt am 6. Mai 1622 dennoch verschont blieb, verdankte sie 40 bewaffneten Reitern aus Olfen, die sich innerhalb der Mauern aufhielten. „Anders, als es die Überlieferung bis in die jüngste Vergangenheit erzählte, war die Rettung der Stadt nicht dem Nebel geschuldet“, kommentierte das Stadtoberhaupt trocken.

Den Menschen auf dem Kirchplatz legte er ans Herz, die Prozession auch in Zukunft im Zeichen des Friedens stattfinden zu lassen. „Die Menschen in Werne haben mit Mahnwachen und zahlreichen Hilfsprojekten für die Ukraine gezeigt, wie wichtig ihnen dieses Thema ist.“ Bischof Genn sprach angesichts des Krieges zwischen Russland und der Ukraine von einer Situation, „die uns das Herz zerbrechen könnte“. Er werde bisweilen selbst müde, für Frieden zu beten, gab der Kirchenmann zu. „Trotzdem bitte ich Sie alle, Christen wie Nicht-Christen, das Vertrauen auf Frieden nicht zu verlieren. Der Schrecken muss einmal ein Ende haben.“
Den Dank für die Rettung ihrer Stadt verliehen die Teilnehmenden während des Gottesdienstes und der Prozession auch musikalisch Ausdruck. Zahlreiche Lobgesänge aus dem Gotteslob wurden eindrucksvoll intoniert.

Unterstützt wurde die Gemeinde dabei vom Kirchenchor Vocapella, dem Verina-Ensemble und der Choral-Schola sowie dem Bläsercorps Werne und dem Rheinischen Oratorienorchester. Für die kirchenmusikalischen Teile der Messliturgie hatte Kantor Dr. Hans-Joachim Wensing die „Missa Solemnis“ des böhmischen Kirchenmusikers Robert Führer (1807–1861) ausgewählt.
Die Fotostrecke zur Stadtprozession finden Sie hier.