Werne. „Der Bund lässt Städte und Gemeinden in ihrer Not allein“, heißt es in einer Medienmitteilung des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“, das so auf eine Bericht der Funke-Mediengruppe reagiert. Demnach lege das Bundesfinanzministerium keinen Vorschlag für eine Altschuldenlösung vor, weil es dafür keine grundgesetzändernde Mehrheit gebe.
Dies geschehe ausgerechnet in einer Phase, in der die Kommunen bundesweit neue Liquiditätskredite in Höhe von rund drei Milliarden Euro aufnehmen müssten. Lange hätten die finanzschwachen Kommunen auf ein Signal gewartet – ohne Erfolg. In dem Aktionsbündnis seien 71 finanzschwache Kommunen aus acht Bundesländern zusammengeschlossen, in denen rund neun Millionen Menschen leben. Dazu zählen in der Region neben Werne, Hamm und Dortmund auch der Kreis Unna.
Altschuldenlösung scheitert an ausreichender Mehrheit für Grundgesetzänderung
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums gebe es im Bundestag und Bundesrat keine grundgesetzändernde Mehrheit für eine Altschuldenregelung des Bundes. „Das ist eine erschütternde Nachricht für alle, die unter der kommunalen Finanzkrise leiden“, sagen Christoph Gerbersmann und Martin Murrack, Sprecher des Aktionsbündnisses. Gerade die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen hätten zwischen 2016 und 2023 aus eigener Kraft bereits 6,9 Mrd. Euro dieser Schulden tilgen können.
Dafür wurden erhebliche Einsparungen und Abgabenerhöhungen gemacht, heißt es weiter. Diese Anstrengungen verpufften derweil in der neuen Finanzkrise. Wie groß diese Not sei, zeige die jüngste Berechnung des Aktionsbündnisses. Danach mussten Städte und Gemeinden bundesweit im ersten Halbjahr 2024 rund 2,4 Milliarden Euro neue Kassenkredite aufnehmen. Ohne die erstmalige Wirkung des Entschuldungsprogramms in Rheinland-Pfalz, das zu einer Senkung um 949 Millionen Euro geführt hat, betrage der Kreditzuwachs sogar 3,34 Milliarden Euro.
Wie das Bündnis ferner erläutert, entfielen auf Kommunen aus NRW davon 1,7 Milliarden Euro. Damit steige die Summe der Liquiditätskredite in Deutschland auf rund 33 Milliarden Euro. „Der Bund lässt die Städte und Gemeinden in ihrer Not und einer sich extrem zuspitzenden Phase allein – und das, obwohl die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eine Altschuldenlösung versprochen hat“, so die Sprecher von „Für die Würde unserer Städte“.
„Für die Würde unserer Städte“ sieht Verantwortung auch bei NRW-Landesregierung
Für die jetzt eingetretene Situation sehe man auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in der Verantwortung. Sie habe nach langem Zögern im Sommer 2023 einen unzureichenden Vorschlag für die Landeslösung der Altschuldenfrage gemacht. „Er war nicht geeignet, Grundlage für eine Bundeslösung zu sein, weil er keinen finanziellen Eigenanteil des Landes enthielt. Der zweite Vorschlag im Juni dieses Jahres enthielt diesen Eigenanteil, wurde aber nicht passend kommuniziert. Die Landesregierung machte ihn per Pressekonferenz und Pressemitteilung öffentlich, statt mit dem Bund über die Umsetzung zu sprechen. Außerdem ist es NRW nicht gelungen, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion für diese Lösung zu gewinnen“, argumentiert das Bündnis.
So benötige die Altschulden-Regelung die Zustimmung der Union, weil dafür eine Verfassungsänderung erforderlich sei. Bei allem verständlichen Ärger für diese unzureichende Kommunikation am Anfang, können dies aus der Sicht des Bündnisses allerdings kein Grund sein, auf Bundesebene nicht doch den Versuch einer Altschuldenregelung zu unternehmen. Das Bundesfinanzministerium bringe keine Gesetzesvorlage ein und prüfe nicht einmal, ob es im parlamentarischen Verfahren nicht doch eine Mehrheit gibt. Sie nehme dies lediglich an.
Das Geld fehlt vor Ort – drei Lösungsschritte empfohlen
Die Ursache für die verschärfte kommunale Finanzkrise sei beim Bund und bei den Ländern zu finden. Sie delegierten nach wie vor zahlreiche Aufgaben an die Städte und Kreise, ohne dabei den tatsächlichen Aufwand auszugleichen. Die Kommunen müssten Kredite aufnehmen, um Aufgaben zu erfüllen, die Bund und Land ihnen übertragen haben. Das Geld fehle dann, um vor Ort in Straßen, ÖPNV, Kitas und Schulen sowie Digitalisierung und Klimaschutz zu investieren. Die Konsequenzen seien vor Ort doppelt spürbar. Die Bürger/innen nähmen die Kommune als erste Ebene des Staates wahr. Sei diese nicht handlungsfähig, verlören sie ihr Vertrauen in die Demokratie.
Drei Schritte zur Lösung der kommunalen Finanzkrise
1. Altschuldenlösung im Bund und in NRW: Die meisten Bundesländer mit hoch verschuldeten Kommunen haben bereits den ersten Schritt gemacht und die Betroffenen entschuldet.
2. Reform der Förderpolitik: Die Teilnahme an Förderprogrammen ist in Deutschland so aufwändig, dass eine groteske Wirkung entsteht. Geld komme vielfach nicht dort an, wo es dringend gebraucht werde, sondern fließe vor allem in Kommunen, die es sich leisten können, an den Verfahren teilzunehmen. „Für die Würde unserer Städte“ schlägt deshalb vor, dass jedes Ministerium die Zahl seiner Förderprogramme halbiere. Das Geld, das so nicht verteilt werde, komme in einen Topf. Die Mittel daraus sollten pauschal an die Kommunen vergeben werden. Bedürftigkeit müsse bei der Verteilung ein wesentlicher Faktor sein. Die Programme, die bestehen blieben, müssten radikal vereinfacht werden, unter anderem indem man die Möglichkeiten der Digitalisierung nutze.
3. Infrastruktur- und Instandhaltungsfonds einrichten: Die finanzschwachen Kommunen sind in den vergangenen Jahren weit abgehängt worden. Selbst mit den beiden bisher genannten Lösungen würden sie diesen Rückstand bei den Investitionen und bei der Instandhaltung nicht aufholen. Deshalb braucht es über 10 bis 15 Jahre einen Sonderfonds, der hilft, diese Lücke zu schließen.