Werne. Der Stadtentwicklungsausschuss hat in seiner öffentlichen Sitzung am Dienstag grünes Licht für die Planung des Gewerbegebietes Nordlippestraße Nord gegeben.
Begleitet von einer Demonstration vor der Tür des Kolpingsaals entschieden die Politiker, die Verwaltung mit der Durchführung des Verfahrens für die Änderung des Flächennutzungsplans und Erstellung eines Bebauungsplans zu beauftragen. Zusätzlich soll eine Rahmenplanung für ein möglichst umweltverträgliches und nachhaltiges Gewerbegebiet auf der 32 Hektar großen Fläche nördlich der Nordlippestraße erfolgen.
Die vier Vertreter der Faktion Bündnis 90/Die Grünen stimmten gegen das Vorhaben, Martin Pausch (Die Linke) enthielt sich der Stimme. 14 Ausschussmitglieder von CDU, SPD, FDP und UWW hoben die Hand für die Planung. Sie hatten bereits in der Sitzung im Dezember den Grundstein für die Entscheidung gelegt, als sie dem Regionalen Kooperationsstandort Nordlippestraße Nord zustimmten und die Verwaltung mit der Vorbereitung des weiteren Verfahrens beauftragten.
Im Vorfeld der Sitzung hatte die Klimainitiative „Natürlich!Werne“ eine öffentliche Diskussion zum Thema entfacht, die zum Teil geprägt sei von „Fake-News“, wie es die Ausschussvorsitzende Uta Leisentritt formulierte. In der Debatte war stets die Rede davon, dass auch eine in der Regionalplanung enthaltene Fläche südlich der Nordlippestraße Bestandteil des neuen Gewerbegebietes sei. Tatsächlich geht es aber um das Gelände östlich der B 54 und nördlich der Nordlippestraße in Nachbarschaft zum Hof Schulze Twenhöven.
„Wir haben (…) die Ökonomie vor die Ökologie gestellt. Mit den bekannten Folgen. Nun gilt es einen Weg zu suchen, wie wir das ins Gleichgewicht bringen können.“
Adelheid Hauschopp-Francke, sachkundige Bürgerin der SPD
Wie schwer sich die Politiker in Anbetracht der Aufgaben des Klimaschutzes mit ihrer Entscheidung taten, machte schon die Länge und Intensität der Wortbeiträge deutlich. Vor allem Adelheid Hauschopp-Francke (SPD) und Klaus Schlüter (Grüne) nahmen sich viel Zeit, um ihre Haltung für bzw. gegen das Projekt zu äußern. In den Beiträgen aller Befürworter kam zum Ausdruck, dass für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Werne der Verbrauch weiterer Freiflächen ein notwendiges Übel sei. Um Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu sichern, müsse man Grundstücke für Gewerbeansiedlungen zur Verfügung stellen, da die bisherigen Gebiete vollgelaufen seien. Alle Befürworter betonten ausdrücklich, dass hohe Anforderungen an den Klima- und Umweltschutz zu stellen sind. „Wir haben in den vergangenen 150 Jahren die Ökonomie vor die Ökologie gestellt. Mit den bekannten Folgen. Nun gilt es einen Weg zu suchen, wie wir das ins Gleichgewicht bringen können“, sagte Adelheid Hauschopp-Francke. Sie betonte, dass die Gewerbegebiete in Werne gerade einmal vier Prozent der versiegelten Fläche einnehmen. 70 Prozent der Einnahmen in der Stadt und 60 Prozent des Steueranteils seien aber an die dort ansässigen Betriebe gekoppelt.
Die Grünen sprachen sich gegen den weiteren Flächenfraß aus. „Jedes kleine Werne ergibt ein großes Ganzes“, sagte Andreas Drohmann. Klaus Schlüter hegte Zweifel, dass die hohen Anforderungen an den Klimaschutz bei der Realisierung des Gebietes auch tatsächlich erfüllt werden und dass die Stadt bei der Ansiedlung von Unternehmen den Hut auf hat, wie es Bürgermeister Lothar Christ versichert hatte. „Ich glaube nicht, dass wir Herr des Verfahrens sind“, sagte Schlüter. Claudia Lange (FDP) sprach von einer klugen Entscheidung: „Wir wünschen uns, dass Werne weiter wächst. Wenn wir selbst die Richtung bestimmen, haben wir auch in der Hand, was geschieht“. Die FDP begrüße ausdrücklich, dass die südliche Fläche nicht Bestandteil der Planung sei. Das wäre eine zu große Beeinträchtigung für die Werner Bürger gewesen.
Für CDU-Fraktionschef Wilhelm Jasperneite ist die Entscheidung für eine weitere Planung nur folgerichtig. „Wir haben über den Teilplan Regionale Kooperationsstandorte mit großer Mehrheit abgestimmt“, sagte er. Nun müsse man bei der Umsetzung hohe Maßstäbe an den Klimaschutz anlegen: „Wir werden genau darauf achten, was dort passiert“. Sein Fraktionskollege Markus Rusche hatte die Entscheidung für das Gewerbegebiet zuvor als richtungsweisend bezeichnet. „Wir entscheiden heute, wo Werne in Zukunft steht.“
„Als aktiver Bauer bin ich gegen den Flächenverbrauch, als Politiker sehe ich aber die Notwendigkeit, ein Gewerbegebiet zu schaffen.“
Ferdinand Schulze Froning, Ratsherr der CDU und Werner Landwirt
Zwei Mitgliedern des CDU-Fraktion fiel die Abstimmung besonders schwer: Die beiden Landwirte Egbert Ortmann und Ferdinand Schulze Froning hatten große Bauchschmerzen damit, dass landwirtschaftliche Nutzfläche in Anspruch genommen wird. „Die Bauern zahlen einen hohen Preis, denn für jede Fläche, die verbraucht wird, muss an anderer Stelle ein ökologischer Ausgleich erfolgen. Und auch dafür werden landwirtschaftliche Flächen genutzt“, sagte Ortmann. „Als aktiver Bauer bin ich gegen den Flächenverbrauch, als Politiker sehe ich aber die Notwendigkeit, ein Gewerbegebiet zu schaffen. Das hat mir schon schlaflose Nächte bereitet“, so Ferdinand Schulze Froning.
Bürgermeister Lothar Christ hatte zu Beginn der Beratung auf die Bedeutung der Entscheidung hingewiesen. Es gebe viele Argumente für und gegen das Gewerbegebiet und er habe großes Verständnis für den Protest der Bürger. Letztendlich müsse die Politik entscheiden, wie es weitergeht. „Sie haben es in der Hand. Dafür wurden Sie gewählt“, gab Christ den Politikern mit auf den Weg.
Die Grundlage für die Entscheidung bildete ein ausführlicher Vortrag, den Planungsdezernent Ralf Bülte und Wirtschaftsförderin Carolin Brautlecht hielten. Darin wurde auch vorgestellt, mit welchen planerischen und baulichen Maßnahmen der Klimaschutz im neuen Gewerbegebiet Berücksichtigung finden kann. „Wir können im Rahmenplan hohe Anforderungen festlegen“, sagte Ralf Bülte. Und Carolin Brautlecht erklärte, dass es ausschließlich in der Hand der Stadt Werne liege, welche Unternehmen sich im Gewerbegebiet ansiedeln. „Wir können wählerisch sein“, so die Wirtschaftsförderin. Zum neuen Standort gebe es keine Alternative, weil in Werne keine Brachflächen zur Verfügung stehen. Auch das Gelände des Gersteinwerks, das Bestandteil der Regionalplanung sei, stehe auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung, weil die RWE dort noch Strom produziere. Brautlecht: „Es findet noch Gasverstromung statt und das Werk dient der Kapazitätsvorsorge.“