Montag, März 20, 2023

„Wir wollen weder rauchende Schlote noch einen Freizeitpark“

Anzeige

Wer­ne. Am 12. Dezem­ber ent­schei­den die Wahl­be­rech­tig­ten der Stadt Wer­ne in einem Bür­ger­ent­scheid, ob an der Nord­lip­pe­stra­ße die Pla­nung für ein neu­es Indus­trie- und Gewer­be­ge­biet fort­ge­führt wer­den soll.

Im Gespräch mit WERN­Eplus erklärt Bür­ger­meis­ter Lothar Christ, war­um die Stadt die­ses Gewer­be­ge­biet ent­wi­ckeln will und wie die­se Pla­nung aus sei­ner Sicht mit dem Kli­ma­schutz ver­ein­bart wer­den kann. Er nimmt auch zum mas­si­ven Pro­test gegen den Stand­ort Stel­lung. Sein Wunsch: Mög­lichst vie­le Bür­ger sol­len sich am 12. Dezem­ber an der demo­kra­ti­schen Ent­schei­dung betei­li­gen. Der Spre­cher der Bür­ger­initia­ti­ve (BIN), Axel Kers­t­ing, hat­te sich bereits vor eini­gen Tagen im Inter­view über die Grün­de für den Wider­stand gegen die Pla­nun­gen geäu­ßert.

- Advertisement -

Die Stadt Wer­ne beab­sich­tigt bereits seit Jah­ren die Ent­wick­lung eines neu­en Gewer­be­ge­bie­tes. Gewünsch­ter Stand­ort war am Auto­hof. Nun ist in der Regio­nal­pla­nung die Flä­che am Kreis­ver­kehr Nordlippestraße/Münsterstraße fest­ge­legt. Ist das für Sie zwei­te Wahl?

Ein Stand­ort direkt an der Auto­bahn wäre mir lie­ber gewe­sen. Aber der Lan­des­ent­wick­lungs­plan lässt eine gewerb­li­che Ent­wick­lung dort nun mal nicht zu.

Das Gewer­be­ge­biet stößt auf erheb­li­chen Wider­stand in der Bevöl­ke­rung. Haben Sie mit die­sem mas­si­ven Pro­test gerechnet?

Bis­lang wur­den Gewer­be­ge­biets­ent­wick­lun­gen in Wer­ne nicht oder kaum kri­ti­siert. Die posi­ti­ven Wir­kun­gen stan­den im Fokus. Die­ser Fokus hat sich ver­än­dert. Wich­tig ist, dass man bei­de Sei­ten im Blick hat und betrachtet.

Liegt der Wider­stand auch dar­in begrün­det, dass die Stadt es ver­säumt hat, die Bür­ger recht­zei­tig und umfas­send über die Plä­ne zu infor­mie­ren. Zum Bei­spiel dar­über, dass die in der Regio­nal­pla­nung fest­ge­leg­te süd­li­che Flä­che am Grü­nen Win­kel nicht ange­tas­tet wer­den soll?

Dass der Infor­ma­ti­ons­be­darf bereits vor Beginn eines Pla­nungs­ver­fah­rens so groß ist, ist neu, aber auch ver­ständ­lich. Des­halb müs­sen wir bei sen­si­blen Fra­gen frü­her mit den Infor­ma­tio­nen für die Öffent­lich­keit anfangen.

Am 12. Dezem­ber wer­den die Wahl­be­rech­tig­ten im Bür­ger­ent­scheid über das Gewer­be­ge­biet abstim­men. Wie fin­den Sie das?

Bür­ger­be­geh­ren und Bür­ger­ent­schei­de sind wich­ti­ge Instru­men­te unse­rer Kom­mu­nal­ver­fas­sung. Unse­re Auf­ga­be ist es dabei, dass die Bür­ger die Mög­lich­keit haben, sich gut und sach­lich zu informieren.

Der Rat hat, bis auf die Grü­nen, das mit mehr als 5000 Unter­schrif­ten unter­leg­te Bür­ger­be­geh­ren abge­lehnt und für die Ent­wick­lung der nörd­li­chen Flä­che gestimmt. War­um braucht Wer­ne die­ses neue Gewerbegebiet?

Kli­ma­schutz und Wirt­schaft dür­fen nicht gegen­ein­an­der aus­ge­spielt wer­den. Es gilt nicht „ent­we­der oder“. Wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung sichert nicht nur Arbeits­plät­ze und Steu­ern, son­dern ist auch unab­ding­bar not­wen­dig für einen gelin­gen­den Kli­ma­schutz. Den­ken wir mal an die vie­len Fir­men, die im Bereich rege­ne­ra­ti­ver Ener­gien oder effi­zi­en­ten Bau­ens tätig sind oder an die anspruchs­vol­le Auf­ga­be, indus­tri­el­le CO2-Aus­stö­ße dras­tisch zu redu­zie­ren. Ohne neue Tech­no­lo­gien und Ent­wick­lun­gen kann der Weg hin zur Kli­ma­neu­tra­li­tät im Jahr 2045 nicht gelingen.

Die Bür­ger­initia­ti­ve zeich­net ein Bild von rau­chen­den Schlo­ten, in den Bro­schü­ren der Wirt­schafts­för­de­rung sieht das Gewer­be­ge­biet eher wie ein Frei­zeit­park aus, in dem man sonn­tags mit der Fami­lie spa­zie­ren geht. Liegt die Wahr­heit wie so oft in der Mit­te oder glau­ben Sie wirk­lich, dass dort tat­säch­lich ein kli­ma­neu­tra­les Gewer­be­ge­biet ent­ste­hen kann?

Wir wol­len weder rau­chen­de Schlo­te noch einen Frei­zeit­park, son­dern ver­ant­wor­tungs­vol­le Unter­neh­men, die sich wirk­lich anstren­gen, so viel wie mög­lich von den auf­ge­zeig­ten Bei­spie­len umzu­set­zen; ange­fan­gen bei Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen über Grün­be­da­chung bis zur Nut­zung von Erdwärme.

Bun­te Plä­ne sind schön. Wer garan­tiert denn den Bür­gern, dass alle pla­ne­ri­schen Vor­ga­ben bei der spä­te­ren Umset­zung auch tat­säch­lich ein­ge­hal­ten werden?

Dazu gibt es eine Rei­he von wirk­sa­men Instru­men­ten, wie zum Bei­spiel Bebau­ungs­plan­fest­set­zun­gen, deren Umset­zung nach­zu­wei­sen ist, Auf­la­gen in Bau­ge­neh­mi­gun­gen oder auch Vertragsstrafen.

Die Bür­ger­initia­ti­ve befürch­tet, dass der Stand­ort Wer­ne aus­schließ­lich dazu dient, den Flä­chen­be­darf des Ruhr­ge­bie­tes zu decken. Und sie bezwei­felt, dass die Stadt Wer­ne die Ansied­lun­gen von Unter­neh­men selbst steu­ern wird. Was sagen Sie dazu?

Es geht zwar um regio­na­le und nicht loka­le Flä­chen­be­dar­fe. Das heißt aber nicht, dass die Wirt­schaft vor Ort nichts davon hat. Wir haben auch Wer­ner Fir­men, die grö­ße­re Flä­chen anfra­gen oder die in Koope­ra­ti­on ein gro­ßes Grund­stück kau­fen kön­nen. Wer dort hin­kommt, ent­schei­det letzt­lich der Rat oder ein städ­ti­scher Ausschuss.

Und wie beur­tei­len Sie das Argu­ment der Geg­ner, dass Wer­ne beim Flä­chen­ver­brauch für Gewer­be­ge­bie­te schon über dem Lan­des­durch­schnitt liegt, eben­so wie bei den Ein­nah­men aus der Gewer­be­steu­er, und dass es des­halb kei­ne Not­wen­dig­keit für wei­te­re Indus­trie­flä­chen gibt?

Wir kön­nen nicht sagen, dass wir 5,0 Pro­zent Arbeits­lo­sig­keit erreicht haben und dabei bleibt es. Mit den Steu­ern ist es genau­so. Wenn wir der Wirt­schaft kei­ne Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten geben, kön­nen die Din­ge über kurz oder lang auch schnell anders aus­se­hen. Die gro­ßen Gewer­be­steu­er­zah­ler mit vie­len Arbeits­plät­zen von vor 20 Jah­ren sind nicht mehr die­sel­ben wie die von heute.

Das Gewer­be­ge­biet sieht Ansied­lun­gen in einer Grö­ße ab 50.000 Qua­drat­me­ter vor. Mit der Fir­ma Hel­la gibt es auch schon einen Inter­es­sen­ten aus Wer­ne. Doch wo fin­den klei­ne­re Unter­neh­men aus Wer­ne Platz für eine Betriebsvergrößerung?

Dass auch klei­ne­re Unter­neh­men Bedar­fe für ihre Ent­wick­lun­gen haben, ist unbe­strit­ten. Da haben wir in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auch viel getan. Das ist aber kein Argu­ment gegen die Unter­neh­men mit grö­ße­ren Bedar­fen. Der ent­spre­chen­de (Gesamt-)Regionalplan, der zur­zeit noch im Ver­fah­ren ist, hat unter ande­rem die Auf­ga­be, die loka­len Bedar­fe zu verorten.

Zur Debat­te steht der­zeit die nörd­li­che Flä­che des in der Regio­nal­pla­nung fest­ge­leg­ten Koope­ra­ti­ons­stand­or­tes mit einer Flä­che von rund 30 Hekt­ar. Kön­nen sich die Bür­ger auf das Ver­spre­chen ver­las­sen, dass in Zukunft die süd­li­che Flä­che am Grü­nen Win­kel nicht doch noch in Anspruch genom­men wird, wenn wei­te­rer Bedarf für neue Gewer­be­flä­chen besteht?

Sie kön­nen sich auf die­sen Bür­ger­meis­ter und sicher auch auf die­sen Stadt­rat ver­las­sen. Ver­spre­chen für spä­te­re Nach­fol­ger abge­ben, kann man nicht. Aber wir sind doch einig, dass die süd­li­chen Flä­chen nicht für gewerb­li­che Über­pla­nung ange­grif­fen wer­den dür­fen. Ich glau­be nicht, dass sich ein Poli­ti­ker dar­an die Fin­ger ver­bren­nen würde.

Was sind die Kon­se­quen­zen, wenn das Gewer­be­ge­biet beim Bür­ger­ent­scheid durchfällt?

Dann ist das eine legi­ti­me und voll­ends zu respek­tie­ren­de Ent­schei­dung. Dann wer­den wir unse­re Arbeit auf alles ande­re kon­zen­trie­ren, was wir in Wer­ne errei­chen wollen.

Herr Christ, Sie sind Sport­fan. Ihr Tipp: Wie wer­den sich die Bür­ger am 12. Dezem­ber entscheiden?

Das ist ja kein Wett­be­werb, son­dern es geht um einen Ent­schei­dungs­weg. Ich glau­be, dass es eine enge Ent­schei­dung wird und hof­fe, dass genü­gend Men­schen abstim­men werden.

Anzeige

Weitere Artikel von Werne Plus

Blaskapelle Schwartländer begeistert mit Mix aus dem „Garten der Musik”

Werne. Die Blaskapelle Schwartländer unter der Leitung von Hartmut Gross überzeugte am Samstagabend (18.03.2023) vor ausverkauftem Publikum ihr Frühjahrskonzert im Werner Kolpingsaal. Unter dem...

Drei Spiele – neun Punkte: WSC klettert in der Tabelle

Werne. 3:2 gegen Ahaus, 2:1 gegen Borken und am Sonntag ein 3:2 (1:1) bei Westfalia Gemen – der Werner SC hat eine Siegesserie hingelegt...

SV Stockum meldet sich mit 5:2‑Sieg im Aufstiegskampf zurück

Stockum. Die Partie bei der SG Bockum-Hövel II hatte Stockums Trainer Leonardo Amoresano zuvor als "Endspiel" ausgerufen, um im Aufstiegskampf der Kreisliga B1 noch...

Eintracht Werne fertigt Lohauserholz problemlos ab

Werne. Die nächste Pflichtaufgabe erfüllt: Tabellenführer Eintracht Werne setzte sich am Sonntag deutlich gegen den Vorletzten TuS Lohauserholz II durch und verteidigte damit die...

1 Kommentar

  1. „Stim­men Sie für die Zukunft unse­rer Stadt“ wirbt „Wir für Wer­ne“ der­zeit auf allen Kanä­len für die Fort­set­zung der Pla­nun­gen für das Gewer­be- und Indus­trie­ge­biet Nord­lip­pe. Damit sug­ge­riert der Ver­ein bewusst, dass alle, die sich gegen die­se Pla­nung aus­spre­chen, Wer­ne als attrak­ti­ve Kom­mu­ne, als Gewer­be­stand­ort … die Zukunft verbauen.
    Die­se Unter­stel­lung macht uns rich­tig sau­er. Denn bereits seit Bekannt­wer­den der Plä­ne für das Gebiet Nord­lip­pe ver­är­gert uns am meis­ten, dass im Rat der Stadt Wer­ne vor allem Men­schen jen­seits der Lebens­mit­te (denn immer­hin sind min­des­tens 60 Pro­zent aller Rats­mit­glie­der älter als 50 Jah­re) weit­rei­chen­de Ent­schei­dun­gen für die Zukunft unse­rer Stadt tref­fen, die sie selbst gar nicht mehr erle­ben werden.
    Natür­lich kann man – wie Wir für Wer­ne es tut – argu­men­tie­ren, dass man ja „das Bes­te“ gera­de für die zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen möch­te. Dass man gera­de jun­gen Leu­ten Aus­bil­dungs- und Arbeits­plät­ze sichern und eine schul­den­ar­me Kom­mu­ne mit guten Ein­nah­me­mög­lich­kei­ten „ver­er­ben“ möch­te. Dass die­se Argu­men­te ganz gewal­tig hin­ken, hat BIN ja bereits hin­rei­chend dar­ge­stellt. Des­halb möch­ten wir hier auch nicht näher dar­auf eingehen.
    Wir, die künf­ti­ge Gene­ra­ti­on, set­zen ganz ande­re Prio­ri­tä­ten. Fragt ihr in unse­rer Fami­lie die jun­gen Fami­li­en­mit­glie­der und unse­re Freun­de, so ist es am wich­tigs­ten, dass wir über­haupt noch eine lebens­wer­te Umwelt haben. Dass es sau­be­re Luft zum Atmen, sau­be­res Was­ser zum Trin­ken und Zugang zu gesun­den, schad­stoff­frei­en Lebens­mit­teln zu Prei­sen, die sich alle leis­ten kön­nen, gibt. Uns jun­gen Fami­li­en­mit­glie­dern ist es wich­tig, dass wir und unse­re Kin­der über­haupt die Chan­ce auf eine Zukunft ohne Kli­ma­ka­ta­stro­phen, wie wir sie im Som­mer die­sen Jah­res erle­ben durf­ten, haben. Wir hof­fen wenigs­tens auf die Errei­chung des 1,5 Grad-Ziels – die des 1,0 Ziels ist ja bereits uto­pisch – und wis­sen, dass mit Pla­nung wei­te­rer Flä­chen­ver­sie­ge­lun­gen, Erwär­mung durch noch mehr Indus­trie­an­la­gen, Erhö­hung des Ver­kehrs­auf­kom­mens … Wer­ne einen Anteil dazu bei­trägt, die­ses noch uner­reich­ba­rer zu machen.
    Drei von uns leben noch in Wer­ne, wir ande­ren bei­den möch­ten irgend­wann Wer­ne wie­der zu unse­rem Lebens­mit­tel­punkt machen. Alle fünf wün­schen wir uns eine Zukunft in einem lebens­wer­ten Wer­ne, dass durch sei­ne Nah­erho­lungs­flä­chen, sei­ne gute Infra­struk­tur, sei­ne enga­gier­ten Men­schen und auch durch sei­nen Bei­trag zum Kli­ma­schutz zum LEBEN und nicht nur zum Arbei­ten ein­lädt! Wir jun­gen Men­schen brau­chen über­haupt die Chan­ce auf eine Zukunft und kei­ne Men­schen jen­seits der Lebens­mit­te, die uns sagen, was „das Bes­te“ für uns ist!
    Dar­um bit­ten wir alle wahl­be­rech­tig­ten Men­schen in Wer­ne am 12.12. für unse­re Zukunft mit JA gegen das Gewer­be- und Indus­trie­ge­biet zu stimmen!

    Johan­na Win­kel­mann (25), Cla­ra Win­kel­mann (23), Fre­de­rik Win­kel­mann (22), Her­bert Win­kel­mann (64) und Mar­ga­re­tha Win­kel­mann (57)
    Mar­burg, Hei­del­berg und Wer­ne, Ambro­si­us­weg 25

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein