Donnerstag, März 30, 2023

Visionär mit guten Kontakten: „Man muss einen langen Atem haben“

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Wer­ne. „Ich habe die Ange­wohn­heit, Pro­jek­te zu über­neh­men, die sich auch rea­li­sie­ren las­sen.“ Das sagt Karl-Fried­rich Ost­holt. Er weiß, wie aus einer Visi­on mit Hart­nä­ckig­keit und Ver­hand­lungs­ge­schick Rea­li­tät wird. Denn im Lau­fe sei­nes lang­jäh­ri­gen Berufs­le­bens hat der heu­te 77-Jäh­ri­ge so man­ches Pro­jekt auf den Weg gebracht und beglei­tet, das zum Erfolg wur­de – allen vor­an der Phö­nix-See in Dort­mund Hör­de und das Wahr­zei­chen der Groß­stadt, das Dort­mun­der U.

Karl-Fried­rich Ost­holt war zuletzt Lei­ter des Pla­nungs­am­tes der Stadt Dort­mund, bevor er mit 62 Jah­ren in den Ruhe­stand ging. In Wer­ne lebt der Sozi­al­de­mo­krat seit mehr als 30 Jah­ren, in der SPD ist er seit 1971. 23 Jah­re gehör­te Ost­holt dem Wer­ner Stadt­rat an, davon lei­te­te er 22 Jah­re die SPD-Frak­ti­on. Mit­te der vor­letz­ten Wahl­pe­ri­ode leg­te er sein Man­dat nie­der und über­gab den Vor­sitz damals an Pro­fes­sor Andre­as Hein­ecke. Der Aus­stieg war schon bei der vor­an­ge­gan­ge­nen Wahl vor­be­rei­tet worden.

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Eine Aus­bil­dung zum Indus­trie­kauf­mann und ein Stu­di­um der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und Volks­wirt­schaft waren die Vor­aus­set­zun­gen für sei­nen beruf­li­chen Wer­de­gang, der in der Düs­sel­dor­fer Staats­kanz­lei begann. Hier beschäf­tig­te er sich mit der Gebiets­ent­wick­lungs­pla­nung, wech­sel­te zwi­schen­zeit­lich zur Bezirks­re­gie­rung Müns­ter und trat schließ­lich 1981 in den Dienst der Stadt Dort­mund. Er wur­de Lei­ter des Pla­nungs­stabs des dama­li­gen Ober­stadt­di­rek­tors und setz­te anschlie­ßend als Chef einer Pla­nungs­grup­pe die Dort­mun­der Ideen im Rah­men der Inter­na­tio­na­len Bau­aus­stel­lung (IBA) um. Mit 54 Jah­ren folg­te schließ­lich der Wech­sel an die Spit­ze der Planungsabteilung.

Erst kurz im Ruhe­stand, war­te­te noch ein­mal eine gro­ße Auf­ga­be auf Ost­holt, als ihn der dama­li­ge Dort­mun­der Bür­ger­meis­ter Ull­rich Sier­au zurück ins Rat­haus hol­te und ihn im Rah­men einer befris­te­ten Anstel­lung mit der Pla­nung für die Umnut­zung der frü­he­ren Uni­on-Braue­rei im Stadt­zen­trum beauf­trag­te. Nach zwei­ein­halb Jah­ren war die­se Arbeit getan, mit sicht­ba­rem Ergebnis.

Karl-Fried­rich Ost­holt genießt seit­dem das Leben als Pen­sio­när, ist aber hin­ter den Kulis­sen wei­ter­hin aktiv. Als Bera­ter der Stadt Wer­ne tut der 77-Jäh­ri­ge das, was sein gan­zes Berufs­le­ben geprägt hat: Visio­nen wirk­lich wer­den las­sen. WERN­Eplus hat mit Ost­holt über die­se Tätig­keit und die der­zeit aktu­el­len Pro­jek­te in Wer­ne gesprochen.

Sie haben sich bereits vor Jah­ren aus dem Berufs­le­ben und dem Stadt­rat ver­ab­schie­det, doch in der Kom­mu­nal­po­li­tik sind Sie wei­ter im Hin­ter­grund aktiv.  Durch Ihre guten Kon­tak­te zu Fach­be­hör­den und Minis­te­ri­en wur­de unter ande­rem das Regio­na­le-Pro­jekt „Wer­ne neu ver­knüpft“ auf den Weg gebracht. An wel­chen Strip­pen zie­hen Sie noch abseits der Öffentlichkeit?

Mei­ne guten Kon­tak­te zu den über­ört­li­chen Behör­den, Minis­te­ri­en und hier zur ört­li­chen Poli­tik sind vor­han­den, aber in schwin­den­der Ten­denz. Das hängt ein­fach mit dem Alter zusam­men und der Tat­sa­che, dass Leu­te aus bestimm­ten Posi­tio­nen her­aus­ge­hen. Ich bin auf Basis eines Mini­jobs als Bera­ter der Stadt­ver­wal­tung tätig und beglei­te grö­ße­re Pro­jek­te. Dazu gehö­ren nach dem Regio­na­le-Pro­jekt die zukünf­ti­ge Nut­zung der frü­he­ren Zechen­bra­che und die Initia­ti­ve zum Bau eines zwei­ten Glei­ses auf der Bahn­stre­cke Münster-Lünen.

Blei­ben wir bei der Regio­na­le 2016: Was war Ihr Anteil, dass die­ses Lan­des­pro­jekt in die Umset­zungs­pha­se gelan­gen konnte?

Beim Regio­na­le-Pro­jekt „Wer­ne neu ver­knüpft“ bin ich sehr stark ein­ge­bun­den gewe­sen. Wir haben rund sechs Jah­re gebraucht, dass die­ses Pro­jekt die höchs­te Prio­ri­täts­stu­fe erreicht hat und damit die Finan­zie­rung gesi­chert war. Ich kann nicht sagen, wie hoch mein Anteil dar­an war. Durch mei­ne Tätig­keit in Dort­mund habe ich gute Kon­tak­te zu den über­ört­li­chen Behör­den und die habe ich genutzt, um das Pro­jekt vor­an­zu­trei­ben. Das hät­ten ande­re auch hin­be­kom­men, aber zu dem Zeit­punkt, als ich ein­ge­stie­gen bin, dräng­te die Zeit. Zum guten Schluss ist in einer der letz­ten Sit­zun­gen des Regio­na­le-Gre­mi­ums die posi­ti­ve Ent­schei­dung getrof­fen worden. 

Bei „Wer­ne neu ver­knüpft“ han­delt es sich ja um ein Maß­nah­men­bün­del. Das ist neben der Schaf­fung neu­er Wege­ver­bin­dun­gen durch den Bau von Kreis­ver­keh­ren die Neu­ge­stal­tung des Hor­ne-Grün­zu­ges im inner­städ­ti­schen Bereich. Als eine der schwie­rigs­ten Auf­ga­ben stand am Anfang die Umwid­mung der Bun­des­stra­ße zu einer Gemein­de­stra­ße. Ich hat­te schon frü­her mit dem Lan­des­be­trieb Stra­ßen­NRW zu tun, doch die­se Ver­hand­lun­gen waren ein Kunst­stück der ganz beson­de­ren Art. Das hat enorm Zeit gekos­tet. An der wei­te­ren Umset­zung bin ich jetzt nicht mehr betei­ligt. Wenn man das ein­mal durch­be­kom­men hat, wird das umge­setzt. Jetzt geht es „nur noch“ um die Realisierung.

Wel­che Chan­cen bie­tet „Wer­ne neu ver­knüpft“ Ihrer Mei­nung nach für die Stadt Werne?

Die B54 in alter Füh­rung hat die Stadt in zwei Hälf­ten geteilt und hat eine brei­te Schnei­se durch die gan­ze Stadt geschla­gen. Das war frü­her mal eine Umge­hungs­stra­ße, die sie hin­ter­her nicht mehr war. Das Pro­jekt hät­ten wir nicht umset­zen kön­nen, wenn die Stra­ße in die­ser Klas­si­fi­zie­rung geblie­ben wäre, denn dann hät­te man für die Gestal­tung des Hor­ne-Grün­zugs kei­nen Platz gehabt. Wenn das mal fer­tig ist, hat man eine gro­ße Auf­wer­tung der Lebens­qua­li­tät durch eine attrak­ti­ve Grün­an­la­ge und eine erheb­li­che Redu­zie­rung des Ver­kehrs erreicht. Wenn man sieht, wel­ches Ver­kehrs­auf­kom­men auf der neu­en Umge­hung herrscht, spürt man schon den Gewinn. Den Ver­kehr hät­ten wir in der Innen­stadt gehabt. Die Umge­hungs­stra­ße war die wesent­li­che Vor­aus­set­zung für das Regio­na­le-Pro­jekt. Der Bau war auch eine öko­lo­gi­sche Ange­le­gen­heit, denn die Lärm- und Schad­stoff­be­las­tung im Stadt­ge­biet sind erheb­lich gesun­ken. Das ist wirk­lich eine Klimaschutzmaßnahme.

Der Hor­ne-Grün­zug soll im Rah­men des Regio­na­le-Pro­jek­tes umge­stal­tet wer­den und zum neu­en Erho­lungs­ort für die Wer­ner Bür­ger wer­den. Durch die Mit­wir­kung von Karl-Fried­rich Ost­holt ist das Pro­jekt in die För­de­rung durch das Land gelangt. Visua­li­sie­rung: Stadt Wer­ne
 

Im Stadt­ent­wick­lungs­aus­schuss wur­de jetzt der Zeit­plan für das Pro­jekt vor­ge­stellt. Vor­aus­sicht­lich 2030 soll die Fer­tig­stel­lung erfol­gen. Was muss auf die­se Maß­nah­men bei der städ­ti­schen Ent­wick­lung folgen?

Was in der Stadt bereits gemacht wur­de, geht ein biss­chen dadurch unter, dass die Maß­nah­men nach und nach erfolgt sind. Die gesam­te Innen­stadt ist in der Zeit, in der ich Vor­sit­zen­der des Stadt­ent­wick­lungs­aus­schus­ses war, nach einem ein­mal fest­ge­leg­ten Plan kon­se­quent umge­baut wor­den. Das letz­te Stück in der Bonen­stra­ße ist gera­de erst fer­tig­ge­wor­den, Bau­be­ginn in der Stein­stra­ße war 2011. Ein Pro­blem sind heu­te die Leer­stän­de von Geschäf­ten, doch ich sehe das nicht ganz so dra­ma­tisch. Leer­stän­de gibt es mit weni­gen Aus­nah­men inzwi­schen über­all. Je wei­ter man an die Rän­der von Innen­städ­ten geht, umso grö­ßer wird die­ses Pro­blem. Sie wer­den es schlecht schaf­fen, die­se Leer­stän­de zu besei­ti­gen, wenn man dar­auf war­tet, dass neue Unter­neh­men dort rein­ge­hen. Es gibt Lösungs­mo­del­le, das setzt aber vor­aus, dass sich die Stadt mög­li­cher­wei­se an der Mie­te betei­ligt. Das machen eini­ge Städte. 

Die zwei­te Lösung wür­de ich prä­fe­rie­ren. Bei ver­schie­de­nen Objek­ten, denen zusätz­lich noch die Ver­wahr­lo­sung droht, müss­te man sich über­le­gen, ob die Stadt sie nicht kauft und selbst wei­ter­ent­wi­ckelt.  Die Gebäu­de soll­ten in Woh­nun­gen umge­wan­delt wer­den. Die Attrak­ti­vi­tät einer Innen­stadt wird heu­te immer ver­bun­den mit Ein­kau­fen und Gas­tro­no­mie. Das ist aber nicht die Zukunft. In Wer­ne könn­te ich mir ein Modell vor­stel­len, dass die Stadt Objek­te kauft, unter Umstän­den selbst ent­wi­ckelt und dann am Markt anbie­tet. Neh­men wir zum Bei­spiel das lan­ge leer­ste­hen­de, denk­mal­ge­schütz­te Gebäu­de am Kirch­hof 3. Das bie­tet sich für eine Wohn­nut­zung an.  Ich bin mir sicher: Wenn Sie da Woh­nun­gen bau­en, wer­den Sie die los. Das gilt auch für ande­re Gebäu­de in der Innen­stadt. Für sol­che Pro­jek­te gibt es in ande­ren Städ­ten schon gute Bei­spie­le, wo ehe­ma­li­ge gewerb­lich genutz­te Gebäu­de zu Wohn­häu­sern umfunk­tio­niert wur­den. Das sieht häu­fig sogar bes­ser aus als ein Neu­bau. In der Nach­bar­stadt Hamm geht man inzwi­schen die­sen Weg, so hat die Stadt zum Bei­spiel das ehe­ma­li­ge Kauf­haus Ter Veen und den Kauf­hof übernommen.

Auf dem Zechen­ge­län­de soll eine Surf­an­la­ge ent­ste­hen, die in der Öffent­lich­keit umstrit­ten ist. Braucht Wer­ne das Pro­jekt „Surf­wrld“?

Wir haben in Dort­mund bei Pla­nun­gen für indus­tri­el­le Alt­stand­or­te immer dar­auf geach­tet, dass wir einen Attrak­ti­ons­punkt auf der Flä­che selbst haben. Das ist bei­spiels­wei­se der See auf Phoe­nix Ost in Hör­de. Man hät­te dort ein­fach ein Gewer­be­ge­biet machen kön­nen. Dann ist aber ein Misch­ge­biet von Woh­nen, Dienst­leis­tung und Erho­lung ent­stan­den, das von den Leu­ten   ange­nom­men wird. Auch den Turm der Uni­on-Braue­rei in der Dort­mun­der Innen­stadt hät­te man abrei­ßen kön­nen, doch dar­aus ist eine Attrak­ti­on ent­stan­den. Auf dem Wer­ner Zechen­ge­län­de ist es das Glei­che.  Hier gibt es kei­ne 08/15-Lösung. Woh­nen ist auf der Bra­che sehr pro­ble­ma­tisch, die Alter­na­ti­ve wäre Gewer­be. Jetzt bekom­men wir eine hoch­ka­rä­ti­ge For­schungs­ein­rich­tung, in der Simu­la­tio­nen zum Bei­spiel für den Deich­bau durch­ge­führt wer­den kön­nen.  Und gleich­zei­tig gibt es das Frei­zeit­an­ge­bot Sur­fen. Das ist eine Attrak­ti­on für Wer­ne und ich habe schon vie­le posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen erhal­ten. Als Schreck­ge­spenst wer­den von den Geg­nern die pro­gnos­ti­zier­ten rund 200.000 Besu­cher im Jahr ange­se­hen. Doch die hat jeder mit­tel­mä­ßi­ge Dis­coun­ter auch. Die Flä­che im jet­zi­gen Zustand ist nicht beson­ders, auch wenn Herr Nowak (Anm. der Redak­ti­on: Orni­tho­lo­ge Klaus Nowak hat die Flä­che unter­sucht und Arten ent­deckt, die auf der roten Lis­te ste­hen) etwas ande­res fest­ge­stellt hat. Für die Pla­nung rele­vant ist eine ein­zi­ge Art, die dort brü­tet. Alle ande­ren Arten, die sich dort von Zeit zu Zeit auf­hal­ten, sind wie zie­hen­de Kra­ni­che auf Rügen.

Was ist Ihr per­sön­li­cher Anteil an dem Projekt?

Ich stel­le die Ver­bin­dun­gen zu den betei­lig­ten Fach­be­hör­den, Minis­te­ri­en und För­der­stel­len her. An der Pla­nung selbst bin ich nicht beteiligt.

Auf der alten Zechenbrache in Werne soll der größte Surfpark der Welt entstehen. Foto: Kreativshooting / Thomas Schütte
Auf der alten Zechen­bra­che in Wer­ne soll der größ­te Surf­park der Welt ent­ste­hen. Foto: Krea­tiv­shoo­ting / Tho­mas Schütte

Glau­ben Sie, dass die „Surf­wrld“ kom­men wird?

Ich glau­be, dass die „Surf­wrld“ eine sehr rea­lis­ti­sche Chan­ce hat. Wenn die Ent­schei­dung für die För­de­rung getrof­fen wird, geht die Umset­zung schnell. In zwei bis drei Jah­ren kann das fer­tig sein.

Im „Bahn­bünd­nis West­fa­len“ macht sich die Regi­on stark für den Aus­bau des zwei­ten Glei­ses zwi­schen Müns­ter und Lünen. Sie gel­ten als Initia­tor die­ses Bünd­nis­ses, in dem sich die Anrai­ner­kom­mu­nen, die Indus­trie- und Han­dels­kam­mern Müns­ter und Dort­mund sowie die wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen­ver­tre­ter der Städ­te enga­gie­ren. Sie selbst ver­tre­ten die Stadt Wer­ne in dem Gre­mi­um. Jetzt gibt es neue Hoff­nung, weil der Aus­bau zwi­schen Müns­ter und Wer­ne auf der Prio­ri­tä­ten­lis­te nach oben gerutscht ist. Glau­ben Sie, dass eine Rea­li­sie­rung bevorsteht?

Ich habe die Ange­wohn­heit, Pro­jek­te zu über­neh­men, die sich auch rea­li­sie­ren las­sen. Aber man braucht eine Engels­ge­duld, um so etwas umzu­set­zen. Eines möch­te ich aber klar­stel­len: Ich bin nicht der Initia­tor des Bahn­bünd­nis­ses West­fa­len. An die­sem Bünd­nis haben zwei Akteu­re par­al­lel gear­bei­tet, ohne dass sie von­ein­an­der wuss­ten. Das waren Micha­el Zur­horst und Adel­heid Haus­chopp-Fran­cke von „Wir für Wer­ne“ und die Pla­nungs­ab­tei­lung der Stadt Dort­mund auf Auf­trag des Ober­bür­ger­meis­ters. Ich habe dann gesagt, ich küm­me­re mich mal dar­um und war inten­siv betei­ligt, die Teil­neh­mer zu akti­vie­ren und ein ers­tes Tref­fen genau in der Mit­te der Stre­cke, in Wer­ne, zu orga­ni­sie­ren. Von da ab lief das eigentlich.

Wel­che Hemm­nis­se müs­sen noch aus dem Weg geräumt werden?

Das Pro­jekt ist jetzt um eine Prio­ri­täts­stu­fe im Bun­des­schie­nen­we­ge-Aus­bau­plan nach oben gerutscht und damit ist die grund­sätz­li­che Plan­bar­keit gege­ben. Jetzt muss eine Ent­schei­dung getrof­fen wer­den, wie das finan­ziert wird. Da gibt es zwei Mög­lich­kei­ten: Man kann das aus dem Nah­ver­kehrs­topf des Lan­des finan­zie­ren oder aus den Mit­teln des Bun­des. Die­se Fra­ge ist noch nicht abschlie­ßend geklärt.  Wir brau­chen jetzt ein Tref­fen mit dem Lan­des­ver­kehrs­mi­nis­ter, um die Pla­nung für die 28 Kilo­me­ter von Müns­ter nach Wer­ne zu konkretisieren. 

Der weit­aus kom­pli­zier­te­re Teil ist der Aus­bau von Wer­ne nach Lünen, denn hier haben wir es im Stadt­ge­biet Lünen mit geschlos­se­ner Bebau­ung zu tun. Das soll­ten wir wei­ter im Auge haben. Wesent­lich leich­ter zu rea­li­sie­ren ist auf­grund der länd­li­chen Struk­tur der jetzt prio­ri­sier­te Abschnitt Müns­ter-Wer­ne. Schwie­rig wird es aller­dings, die Pla­nung durch­zu­füh­ren, denn dafür ste­hen kei­ne Kapa­zi­tä­ten zur Ver­fü­gung. Sämt­li­che Groß­städ­te, die ich ken­ne, ste­hen vor dem Pro­blem, dass es kei­ne Pla­ner gibt. Hier zeigt sich der Fach­kräf­te­man­gel in Deutschland.

War­um ist das zwei­te Gleis für Wer­ne bzw. die Regi­on von so gro­ßer Bedeutung?

Der Vor­teil ist, dass der Fern­ver­kehr ver­stärkt über die­se Glei­se lau­fen kann. Davon hat die Stadt Wer­ne nichts, aber Dort­mund und Müns­ter. Aber man kann den Nah­ver­kehr auf der Stre­cke ver­dich­ten und den RRX ein­set­zen, der bereits auf ande­ren Stre­cken in Nord­rhein-West­fa­len fährt.  Dann kommt man zum Halbstundentakt.

Aus eins mach' zwei: Die Chancen auf ein zweites Gleis zwischen Münster und Dortmund sind deutlich gestiegen. Foto: Wagner
Aus eins mach’ zwei: Die Chan­cen auf ein zwei­tes Gleis zwi­schen Müns­ter und Dort­mund sind deut­lich gestie­gen. Foto: Wagner

Wann wird die Ein­wei­hung stattfinden?

In acht bis zehn Jah­ren. Das kann man hin­krie­gen. Wenn Finan­zie­rung und Pla­nung ste­hen, ist der eigent­li­che Bau kein Pro­blem mehr.

Die Ent­wick­lung der Stadt ist abhän­gig von soli­den Finan­zen. Des­halb bemüht sich die Wirt­schafts­för­de­rung um die Ansied­lung neu­er Betrie­be, um die Ein­nah­men aus der Gewer­be­steu­er zu erhö­hen und neue Arbeits­plät­ze zu schaf­fen. Die Flä­chen sind inzwi­schen ver­braucht und noch unter Ihrer Regie im Pla­nungs­aus­schuss begann bereits vor Jah­ren die Vor­be­rei­tung für ein neu­es Gewer­be­ge­biet in Nach­bar­schaft zum Auto­hof. Nun ist in der Regio­nal­pla­nung der Stand­ort am Kreis­ver­kehr Nordlippestraße/B54 fest­ge­schrie­ben wor­den. Was hal­ten Sie von die­ser Planung?

Ich betrach­te das The­ma zunächst ein­mal stand­ort­frei: Sie kom­men in die­ser Stadt nicht dar­an vor­bei, irgend­wo Flä­chen für Gewer­be­an­sied­lun­gen zu schaf­fen. Was dar­auf geschieht, müs­sen nicht die­se Schre­ckens­bil­der sein, die von den Geg­nern gezeich­net wer­den. Ich ken­ne kei­nen Ort im Ruhr­ge­biet, wo Schorn­stei­ne noch in einer der­ar­ti­gen Mas­sie­rung ste­hen. Heu­te gibt es völ­lig ande­re Typen von Indus­trie­be­trie­ben. Ein Bei­spiel: Im Dort­mun­der Tech­no­lo­gie­park gibt es nicht nur For­schung, son­dern auch Fabri­ka­ti­ons­be­trie­be. Das spielt sich dort in Rein­luft­räu­men ab. Da hören Sie nichts und da kommt auch nichts nach drau­ßen. Wir wer­den, auch durch die aktu­el­len Lie­fer­eng­päs­se von Tei­len für die Pro­duk­ti­on durch die Coro­na-Kri­se bedingt, einen wach­sen­den Druck auf die Not­wen­dig­keit neu­er Gewer­be­flä­chen bekommen.

Wenn man Gewer­be­ge­bie­te macht, soll­te man sie mög­lichst groß zuschnei­den. Ich kann sie dann bau­ord­ne­risch bes­ser glie­dern und ande­re Ele­men­te her­ein­neh­men, als wenn ich auf zehn Hekt­ar zusam­men­ge­drückt wer­de. Auch Ver­kehrs­fra­gen las­sen sich in gro­ßen Gebie­ten wesent­lich bes­ser regeln. Die Hang­la­ge an der B54 bie­tet zum Bei­spiel neue gestal­te­ri­sche Mög­lich­kei­ten. Egal, wel­ches Unter­neh­men sich ansie­delt, wer­den Park­plät­ze benö­tigt. Die las­sen sich in der dort vor­han­de­nen Hang­la­ge gut kaschie­ren, indem ich sie wie eine Sou­ter­rain-Woh­nung hin­ten rein­schie­be. Dann habe ich in der Erde zwei oder drei Eta­gen und oben guckt eine raus. Ich wür­de auch ver­su­chen, mög­lichst viel Land zu erwer­ben, unter Umstän­den auch die bei­den dort ste­hen­den Hof­an­la­gen. Die kann ich mir in einem Gewer­be­ge­biet gut vor­stel­len, und zwar in einer völ­lig ande­ren Funk­ti­on als Gewerbe.

„Man kann sich nicht hin­set­zen und nichts tun. Dann bekom­men Sie in ande­ren Berei­chen ein mas­si­ves Problem.”

Karl-Fried­rich Ost­holt zur Zukunft von Gewer­be­flä­chen in Werne.

Wie wich­tig ist aus Ihrer Sicht die­ses neue Gewer­be­ge­biet für die Stadt Werne?

Sie brau­chen für die Zukunft Gewer­be­flä­chen, man kann sich nicht hin­set­zen und nichts tun. Dann bekom­men Sie in ande­ren Berei­chen ein mas­si­ves Pro­blem. Die Stadt nimmt Gewer­be­steu­ern ein, um sie in die Infra­struk­tur zu inves­tie­ren. Ich muss, wenn ich Wer­ne vor­an­brin­gen will, neben einer attrak­ti­ven Innen­stadt, einer gut auf­ge­stell­ten Schul­land­schaft und einem guten Gesund­heits­sys­tem auch Arbeits­plät­ze und attrak­ti­ven Wohn­raum haben. Die bei­den letz­ten Fak­to­ren sind nun mal mit Flä­chen­ver­brauch verbunden.

Der Stand­ort stößt auf mas­si­ven Wider­stand bei den Bür­gern, die Initia­ti­ve „BIN“ hat fast 5.500 Unter­schrif­ten für die Durch­füh­rung eines Bür­ger­be­geh­rens gesam­melt. Wie beur­tei­len Sie die­sen Protest?

Ich habe für den Wider­stand der Bür­ger­initia­ti­ve gro­ßes Ver­ständ­nis, denn das ist deren gutes Recht. Ich bin aber der Auf­fas­sung der Gemein­schaft „Wir für Wer­ne“, dass man das Plan­ver­fah­ren durch­füh­ren soll­te, um am Ende fest­zu­stel­len: Geht es denn überhaupt?

Nach­dem der Stadt­rat das Bür­ger­be­geh­ren abge­lehnt hat, kommt es nun zum Bür­ger­ent­scheid. Wie sehen Sie die Chan­cen, dass das Gewer­be­ge­biet umge­setzt wer­den kann?

Das weiß ich nicht.  Das hängt von der wei­te­ren Dis­kus­si­on über das The­ma ab. Auch die Stadt wird die Bür­ger infor­mie­ren und zu Ver­an­stal­tun­gen ein­la­den. Vor dem Hin­ter­grund der ein­ge­reich­ten Unter­schrif­ten für das Bür­ger­be­geh­ren kann es aber durch­aus sein, dass das Gewer­be­ge­biet ver­hin­dert wird. Das ist nicht aus­ge­schlos­sen. Aber ich hal­te es für sehr wich­tig, dass man die­se Fra­ge mit allem Für und Wider diskutiert.

Ver­ständ­nis zeigt Karl-Fried­rich Ost­holt für die Geg­ner des geplan­ten Gewer­be- und Indus­trie­ge­bie­tes an der Nord­lip­pe­stra­ße. Foto: Isa­bel Schütte

Die BIN kri­ti­siert, dass der Stand­ort Nord­lip­pe­stra­ße den Flä­chen­be­darf für das Ruhr­ge­biet decken soll und dass die Stadt kei­nen Ein­fluss auf die Ver­mark­tung hat. Was sagen Sie dazu?

Ich kann das so gestal­ten, dass ich jeder­zeit einen Ein­fluss auf die Ver­mark­tung habe. Die Stadt muss ohne­hin die Bau­leit­pla­nung machen und sagen, dass sie in den Grund­be­sitz mit ein­steigt und ohne sie nichts pas­siert. Das Sichers­te sind Besitz­ver­hält­nis­se, aber ich kann auch in der Bau­leit­pla­nung fest­schrei­ben, was ich haben will oder nicht. Die­se Sor­ge ist für mich des­halb die geringste.

Kli­ma­schutz und Flä­chen­ver­sie­ge­lung für neue Gewer­be­be­trie­be: Passt das Ihrer Mei­nung nach zusammen?

Ich ken­ne Gewer­be­ge­bie­te in Hol­land, die sind ein Stück wei­ter als wir, sowohl was die Archi­tek­tur angeht als auch die Maß­nah­men zum Umwelt­schutz. Sie könn­ten ein gutes Bei­spiel für Wer­ne sein. Man muss sich aber zunächst die Fra­ge stel­len, wel­chen öko­lo­gi­schen Wert die Flä­che, die inten­siv für die Land­wirt­schaft genutzt wird, jetzt hat. Wenn ich das abwä­gen will, brau­che ich eine genaue Unter­su­chung und am Ende eine Wert­zif­fer, die ich mit der Pla­nung ver­glei­chen kann. Die Fra­ge ist doch: Was wird ver­sie­gelt und wie sehen mei­ne Aus­gleichs­maß­nah­men aus?

Sie waren vie­le Jah­re in ihrer beruf­li­chen Posi­ti­on als Pla­nungs­amts­lei­ter in Dort­mund und als Poli­ti­ker in Wer­ne an kom­mu­nal­po­li­ti­schen Pro­zes­sen maß­geb­lich betei­ligt. Vor­zei­ge­pro­jek­te wie das Kul­tur- und Krea­tiv­zen­trum Dort­mun­der U und der Phö­nix-See auf einer frü­he­ren Indus­trie­bra­che in Hör­de tra­gen Ihre Hand­schrift. Pro­jek­te, die einen lan­gen Atem brauch­ten. Wel­chen Rat geben Sie der Ver­wal­tung und den Kom­mu­nal­po­li­ti­kern in Werne?

Ja, man braucht einen lan­gen Atem, wenn man etwas umset­zen will. Und man muss sich der Kri­tik stel­len. „Was habt Ihr da wie­der für einen Irr­sinn geplant?“ Oder „Das klappt doch sowie­so nicht“ waren noch die harm­lo­sen Aus­sa­gen, die ich in mei­ner Tätig­keit in Dort­mund oft gehört habe. Aber man muss am Ball blei­ben, auch wenn es immer wie­der Rück­schlä­ge gibt.

Kom­mu­nal­po­li­ti­ker sind in der Öffent­lich­keit der Kri­tik aus­ge­setzt, vor allem in den sozia­len Medi­en müs­sen sie sich immer wie­der aufs Übels­te beschimp­fen las­sen. Glau­ben Sie, dass es in Zukunft noch gelin­gen wird, Bür­ger dafür zu gewin­nen, sich ehren­amt­lich in der poli­ti­schen Arbeit zu enga­gie­ren und sich für das Gemein­wohl einzusetzen?

Mit den sozia­len Medi­en habe ich per­sön­lich kei­ne Pro­ble­me. Ich bin nicht online und neh­me das nicht wahr. Aber tat­säch­lich hemmt der scho­nungs­lo­se Umgang mit Poli­ti­kern vie­le Bür­ger, sich poli­tisch zu enga­gie­ren. Und es schei­den Leu­te aus, völ­lig unab­hän­gig von ihrer poli­ti­schen Ein­stel­lung, die über gro­ße Fach­kennt­nis und Wis­sen ver­fü­gen. Es wird immer schwe­rer, die­se Lücken zu fül­len. Das ist sehr bedauerlich. 

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Förderverein der Bücherei ist zurück mit Kneipen-Quiz im Rat(e)haus

Werne. Nach zwei erfolgreichen Kneipen-Quizzen im vergangenen Jahr, kündigt der Förderverein der Stadtbücherei Werne nun für den 18. April (Dienstag) die erste von drei...