Werne. Mit feinsinnigen Interpretationen beschritt Theo Jellema am Palmsonntag einen Teil des Kreuzwegs, vom letzten Abendmahl bis hinauf nach Golgatha. Sein Orgelspiel in St. Christophorus forderte die Zuhörenden auf, das Leiden Jesu mitzuerleben. Im Vordergrund des Kirchenkonzerts der Stiftung Musica Sacra Westfalica standen Improvisationen über Passionslieder aus dem Gotteslob (GL).
„Ich habe mich dabei sehr an den Texten orientiert“, sagte Jellema vor dem Konzert. Er wolle die Trauer und Dramatik des Passionsgeschehens vermitteln – in einem Stil, der in Verbindung mit der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts stehe. „Es wird kein Bachstil und es wird auch kein sehr lautes Konzert“, kündigte der aus den Niederlanden angereiste Kirchenmusiker an. Jeder seiner Improvisationen stellte er ein Stück aus der Orgelliteratur gegenüber. Das älteste Werk war knapp 100 Jahre alt. Damit ging Jellema auf die Orgel in der Christophoruskirche ein: Die spätromantische Seifert-Orgel wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut. „Das ist das Schöne, wenn man Organist ist“, sagte Jellema. „Ich schaue, wo ich eingeladen bin, und gestalte danach mein Programm.“
Die spannungsgeladene Atmosphäre der Leidensgeschichte Jesu inszenierte der Organist nachdrücklich. Und stellenweise hallte da schon ein Forte durch den Kirchenraum, jedoch nie dröhnend, allenfalls aufrüttelnd. Das „Thema met variaties“ von Hendrik Andriessen (1892–1981) gemahnte zu Beginn an einen Trauermarsch. Dann klagte die Orgel, leise, aufwühlend, beklemmend. In der folgenden Improvisation über „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ (GL 267) rieben sich Tonsprünge aneinander, kumulierten eindringliche Wiederholungen, führten Tonlinien wie verzweifelte Rufe ins Nichts.
Das „Pièce Solennelle“ von Jacques Ibert (1890–1962) flutete im gebotenen feierlichen Duktus den Kirchenraum. Wuchtige Akkorde kontrastierten mit schlanken Melodien bis hin zu einem schönläufig emporsteigenden Finale. „Aus tiefster Not schrei’ ich zu dir“ (GL 277) variierte Jellema mit einer vibrierenden Unruhe. Seine Improvisation über „Singt dem König (GL 280) gestattete dagegen Momente stürmischer Freude über den Einzug Jesu in Jerusalem. Den Jubel lautmalte der Organist mit Klängen, die sich vor Freude zu überschlagen schienen. Schmerzhaft hohe Töne charakterisierten Einsamkeit und Verzweiflung in „La Mélodie intérieure“ von Jean-Jacques Grunenwald.
Einer der einflussreichsten Kirchenmusiker des 20. Jahrhunderts durfte in so einem Programm nicht fehlen: Aus den Stücken von Olivier Messiaen (1908–1992) hatte Jellema „Jesus nimmt das Leiden an“ ausgewählt. Eine Akzeptanz, dem ein innerer Kampf vorausging. Schrille Akkorde schreckten auf, Verzweiflungsschreie gellten, dann wieder drohten dumpfe Klängen wie schwere Tritte von Peinigern. Jellema baute die Spannung systematisch durch abrupte Szenenwechsel auf – wie ein Regisseur, der schnelle Kameraschwenks anordnet.

Seine Improvisation über „Beim letzten Abendmahle“ (GL 282) verwob dagegen poetische Melodien zu einem meditativen Klangteppich; „Holz auf Jesu Schulter“ ließ eine schwere Last durchklingen. Immer wieder hielt Jellema inne – als müsse er dem Tragenden Zeit geben, wieder Atem zu schöpfen.
Mit etwas mehr als 30 Zuhörenden sei der Abend „für ein Orgelkonzert gut besucht“, sagte Dagmar Borowski-Wensing von der Stiftung Musica Sacra Westfalica. Kürzlich habe sie ein Orgelkonzert im Hamburger Michel erlebt, gespielt von Daniel Roth, einem der führenden französischen Orgelvirtuosen. „Da waren eher noch weniger Besucher.“
INFORMATION
Am Sonntag, 27. April, widmet sich Dr. Hans-Joachim Wensing, Kantor der St. Christophorus-Gemeinde, Orgelimprovisationen über Osterchoräle. Das Konzert findet ab 17 Uhr in der Christophoruskirche statt.