Werne. Wer am Samstag durch Wernes Fußgängerzone bummelte, sah sich mit Objekten konfrontiert, die an eine Hommage für den Verpackungskünstler Christo erinnerten: „Das zerbrochene Sparschwein“ vor der Sparkasse, der Sprichwörter-Brunnen an der Bonenstraße, der Lebensbaum-Brunnen am Moormannplatz sowie andere Kunstwerke im öffentlichen Raum waren mit schwarzem Tuch verhüllt und zusätzlich verschnürt worden.
Die Verfremdung ging aufs Konto des Kunstvereins Werne. Mit der sehenswerten Aktion soll die Stadt aufgerüttelt werden. Denn für Kunstwerke, wie sie der Kunstverein seit Jahrzehnten präsentiert, fehlt derzeit in Werne ein Raum.
„Auf unserem Jahresprogramm steht ja auch ein Kunstweg – dieses Mal ist es ein Kunst-weg-Weg, da uns die Stadt Kunst wegnimmt“, erklärte der Vorsitzende Hubertus Waterhues. Diese missliebige Situation rief etwa 20 Mitläuferinnen und Mitläufer auf den Plan, darunter Mitglieder des Kulturausschusses und Vertreter andere Kunstsparten wie Schauspiel und Musik. Auch Martin Abdinghoff war mit von der Partie. „Wir unterstützen den Kunstverein und seine Projekte seit vielen Jahren“, betonte der Sparkassenvorstand – und nahm es mit Humor, dass für kurze Zeit auch einige Skulpturengruppen „verschwanden“, die von der Kulturstiftung der Sparkasse gesponsert worden waren.
Wie berichtet hat die Stadtverwaltung das bislang als Ausstellungsraum dienende Foyer im Stadthaus umgenutzt. Während der Coronapandemie diente es als Ausweichbereich für das Bürgerbüro, aktuell wurden Rats- und Ausschusssitzungen aus Brandschutzgründen dorthin verlegt. „Alles verständlich“, räumt Waterhues ein. „Nur wurden mit uns im Vorfeld keine Gespräche über Alternativen geführt, obwohl es zwischen Verwaltung und Verein seit den Achtzigerjahren eine schriftliche Vereinbarung gibt.“ Seine Versuche, Gespräche zu führen, seien ins Leere gelaufen. Bis die Ankündigung für den Kunst-weg-Weg zuerst bei WERNEplus publik wurde.

„Wir haben eine unfassbare Menge an Solidaritätsbekundungen durch Bürgerinnen und Bürger erhalten“, erklärte Waterhues. Zudem seien Angebote aus anderen Städten gekommen. Verantwortliche des Oberlandesgerichts Hamm etwa seien bereit gewesen, Räume zur Verfügung zu stellen. „Und dann kam es allein durch die Ankündigung zu produktiven Gesprächen mit dem Kulturamt in Werne.“ Kurzfristig seien in einem langen Gespräch mögliche Perspektiven für 2024 ausgearbeitet worden.

Eine Überlegung geht dahin, das Foyer während sitzungsfreier Zeiten für Ausstellungen zu nutzen. Das erfordert nicht nur exakte terminliche Absprachen. Auch das Mobiliar muss unter Umständen für die Kunst weichen. „Wir wollen ja nicht die Wände dekorieren, sondern brauchen Spielraum bei der Inszenierung von Kunst, ebenso wie die Besucher Raum zum Betrachten brauchen“, sagt Sabine Krebber. Obwohl sie nicht mehr in Werne wohnt, spricht sie als 2. Vorsitzende des Vereins die Künstler an, sucht Kunstwerke aus und kuratiert die Schauen. Allzu viel Zeit für eine Lösung bleibt dem Verein nicht. Es stehen bereits Künstler in der Warteschleife. Denn aus Coronazeiten sind Vereinbarungen aufgelaufen. Daher fand der Kunst-weg-Weg unter dem Motto „Fünf vor Zwölf“ statt.

Am Sprichwörter-Brunnen an der Bonenstraße deutet Hubertus Waterhues auf ein Langohr. „Ein ängstlicher Hase – aber das sind nicht wir“, spöttelt er. Einen Brunnen weiter auf dem Moormannplatz stellte die Größe dieses vom Goldschmied Gregor Telgmann geschaffenen Objekts die Verhüllenden vor Herausforderungen – die sie geschickt umgingen. „Ein Werk tritt immer auch mit den Betrachtenden in Dialog“, erklärte Waterhues und verhüllte zusammen mit Sabine Krebber lediglich die Erläuterungen der Sternkreis- und Tierzeichen. Ein Dialog sei genau das, was im Zusammenhang mit der Umnutzung des Foyers gefehlt habe. Dabei ist Waterhues überzeugt: „Wenn wir uns dagegen mehr mit und in Kunst bewegen würden, würden wir mehr reflektieren und uns weniger hauen.“