Werne. Pulsierende Intensität und scharfkantige Rhythmen verbinden zwei Komponisten, die Jahrhunderte trennen: Antonio Vivaldi und Jimi Hendrix. Das arbeiteten der Solist Daniel Sepec und die Bremer Kammerphilharmonie in ihrer Interpretation der „Vier Jahreszeiten“ und einiger Songs von Hendrix am Sonntag spürbar heraus. Das von der Gesellschaft der Musikfreunde veranstaltete Sonderkonzert im Kolpingsaal war ausverkauft. Das der Saal trotzdem nicht voll besetzt war, lag an pandemiebedingten Auflagen.
Das Konzert hatten die Musiker unter das Leitmotiv „The Purple Seasons“ gestellt – eine Anspielung auf Hendrix’ Song „Purple Haze“ und das englische Wort „season“ für Jahreszeiten. Die gelungene Symbiose wurde besonders deutlich, als sich Hendrix’ „Foxy Lady“ in den Ausklang von Vivaldis „Herbst“ schlich. Zunächst war da nur ein irritierendes Surren, das sich nicht zuordnen ließ. Dann dröhnten Klänge durch den Kolpingsaal, die an harte Gitarrenriffs erinnerten. Tatsächlich blieb es bei der kammerphilharmonischen Besetzung aus Streichern und Laute. Nur, dass die prägnanten Rockmotive eben geschickt für diese Instrumente übersetzt worden waren.
Die Idee, zwei zur ihrer Zeit durchaus extreme Musiker konzertant zusammenzubringen, stammte vom Konzertmeister der Kammerphilharmonie, dem Violinisten Daniel Sepec. „Er hat eine eigene Band, mit der er verschiedene Musikstile verfolgt“, hatte Albert Schmitt, Geschäftsführer des Ensembles aus Bremen, zu Beginn des Konzerts erklärt. Seine Experimentierfreude habe Sepec auf die Idee gebracht, Jimi Hendrix – für die Rockmusik ebenso ein Klassiker wie Vivaldi für seine Zeit – auf barocken Instrumenten nachzuempfinden.
Das Experiment kann nur als gelungen bezeichnet werden. „Die vier Jahreszeiten“ malten Sepec und die Bremer Kammerphilharmoniker als kontrastreiches Klangbild. Aufblühende Crescendi des Orchesters wechselten mit flirrenden Soli-Passagen. Die laszive Schwüle des Sommers drückte sich in einem gemächlichen Tempo aus. So wie Menschen ihre Bewegungen in der Hitze mäßigen, ließ das Ensemble seine Zuhörer spüren, dass Pausen auch Noten sind. Und dann fuhr ein Accelerando wie frische Brise durch die Reihen.
Stets war es Sepec, der den Ton angab – einen vollrunden, klangschönen Ton. Die Kammerphilharmoniker spielten ohne Dirigenten und folgten ihrem als Solist agierenden Konzertmeister wie ein eingeschworenes Team. Wenn Sepec sich seinem Spiel hingab, schienen die übrigen Musiker ebenso atemlos zu lauschen wie das Publikum, um sich im nächsten Moment wieder von der Solovioline befeuern zu lassen. Der Wechsel von Stimmungen und Jahreszeiten kristallisierte sich in prägnanten Rhythmen heraus – bisweilen kraftvoll abgerissen in einer Manier, die modernem Rock in nichts nachstand.
Der hatte seinen ersten Auftritt mit einer groovigen Version des Hendrix’ Song „Hey Joe“. Mit feinem Pizzicato gaben die Violinen den Sound vor, eine Bratsche imitierte einen geschmeidig-gutturalen Sängerpart. Die „Foxy Lady“ stürmte später mit einer schwer-dumpfen Rhythmik gegen Vivaldis Herbst an; aufmüpfige Glissandi erinnerten an den rebellischen Vibrationen der Woodstock-Jahre.