Werne. Angesichts der anhaltenden Coronapandemie, deretwegen ihr Auftritt in Werne verschoben werden musste, hatten Joanna Przybylska und Paul Böhme ihr Programm umgestellt. „Wir wollen in diesen Zeiten nichts Düsteres und Bedrückendes spielen“, erklärte der Cellist am Donnerstagabend im Alten Rathaus. Stattdessen erklang in der Kammerkonzertreihe der Musikfreunde Werne ein lebenssprühender Hörbogen von der Klassik bis zur Moderne.
Die Dramaturgie steigerte sich von stimmungsvollen Schumann-Stücken über einen gut aufgelegten Brahms und einen aufwühlenden Beethoven zum bisweilen frechen Prokofjew. Mit viel Fingerspitzengefühl arbeiteten die Pianistin Joanna Przybylska und der Cellist Paul Böhme die klangliche Vielfalt der Werke heraus. Sie verstanden sich auf miniaturhafte Nuancen ebenso wie auf den gefühlsbetonten Ausbruch – und wussten, wann expressive Kraft wieder zurückgefahren werden musste.
Böhme bekannte sich zu Beginn des Konzerts als Schumann-Liebhaber. Der liedhafte Charakter der „Fünf Stücke im Volkston für Cello und Klavier“ käme seinem Instrument entgegen. „Dem Cello sagt man ja nach, es könne modulieren wie die menschliche Stimme.“ So schmiegte sich sein Instrument ins erste Stück „Mit Humor“ und formulierte das zweite träumerisch aus. Im dritten Stück ließen harsche Töne etwas Schmerzhaftes durchklingen, über das sich Przybylskas perlendes Pianospiel wie Balsam legte. Dem lebhaften vierten Stück verlieh das Duo eine leicht trotzige Note; im finalen Satz befeuerten sich die beiden Musiker gegenseitig zu rasantem Aufbegehren
Ebenso temperamentvoll intonierten sie die folgenden Sonate e-Moll für Cello und Klavier von Johannes Brahms. Sie demonstrierten, welche gewaltige Klangmassen ein Duo auftürmen kann – und besänftigten im nächsten Moment mit sonor vibrierendem Streicherton und weichen Läufen über den Tasten. Richtig „emotional zur Sache“, wie Böhme es formulierte, ging es in Beethovens Sonate Nr. 4 C-Dur. Da platzte ein stürmisches Motiv in eine bis dahin sanft dahinfließende Melodie, beendeten nachdrückliche Akzente eine tänzerische Passage. Es war eine zündende Interpretation, nicht zuletzt dank haarfein aufeinander abgestimmter Einsätze.
Sergei Prokofjew komponierte seine Sonate op 119 C-Dur im Schatten des Stalinismus. Wie Böhme erläuterte, zeigte der Russe dem Diktator musikalisch „eine lange Nase“. Etwa, wenn der Cellist mitten im harmlos klingenen ersten Satz auf einmal wie wild die Saiten schlägt und zupft – um dann weiterzumachen, als sei nichts gewesen. Solche unvermuteten Brüche charakterisierten das Stück ebenso wie verspielte Einwürfe, die an Anfänger-Etüden erinnerte. Eine Banalität, die durch virtuose Abschnitte sofort konterkariert wurde.
PROGRAMMHINWEIS
Das nächste Konzert in der Reihe der Gesellschaft der Musikfreund findet am 17. Februar ab 20 Uhr im Bürgersaal des Alten Rathauses statt: „After you, Mr Goodman“. Es spielen Hubert Salmhofer, Klarinette, und Elisabeth Väth-Schadler, Klavier.