Mittwoch, März 29, 2023

Jazz Club Werne: Ein leiser Abschied

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Wer­ne. In einem knap­pen Jahr wird der Jazz Club Wer­ne aus dem Ver­eins­re­gis­ter ver­schwun­den sein. Die Mit­glie­der haben im Spät­herbst die Auf­lö­sung beschlos­sen. Damit ver­schwin­det nach 34 Jah­ren und rund 1.000 Kon­zer­ten ein Stück Kul­tur­ge­schich­te aus der Stadt.

„Die Idee war es damals, dem Jazz auch in Wer­ne einen Stel­len­wert zu geben, den er ver­dient“, erin­nert sich Club-Grün­der Horst R. Kraft, der das Gen­re anläss­lich des 25. Jubi­lä­ums im Jahr 2012 als „Welt­spra­che“, bezeich­ne­te, in der sich Musi­ker jeg­li­cher Natio­na­li­tät und Haut­far­be musi­ka­lisch aus­drü­cken können.

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Jazz spiel­te im Leben des gebür­ti­gen Soes­ters schon früh eine gro­ße Rol­le. Die ers­te jaz­zi­ge LP sei­ner ers­ten Band ent­stand schon 1963 als Gym­na­si­ast. Zahl­lo­se renom­mier­te Musi­ker und Bands sowie talen­tier­te New­co­mer, die ohne das Enga­ge­ment des Vor­sit­zen­den Horst R. Kraft und sei­ner Mit­strei­ter wohl nie in der Lip­pe­stadt auf­ge­tre­ten wären, sorg­ten nach der Ver­eins­grün­dung im Novem­ber 1987 über drei Jahr­zehn­te lang dafür, dass Wer­ne für Jazz-Freun­de alles ande­re als ein unbe­schrie­be­nes Blatt darstellte.

Letzt­lich hat­te der Ver­ein sogar außer­halb der Stadt­gren­zen Mit­glie­der, die aus Städ­ten wie Brüs­sel, Ber­lin, Mün­chen, Ham­burg und Düs­sel­dorf nach Wer­ne reis­ten – für oft­mals exklu­si­ve Kon­zer­te unter ande­rem vom Modern Jazz Quar­tett, dem Gol­den Gate Quar­tett oder Maceo Parker‘s Band.

Ab 1991 ent­wi­ckel­ten sich die Don­ners­tags­Jazz-Ver­an­stal­tun­gen bei frei­em Ein­tritt in Frän­zers Schän­ke zu einem Ren­ner. „Das jähe Ende erfolg­te nach der 196. Ver­an­stal­tung, nach­dem die Fami­lie Frän­zer ihr Lokal in neue Hän­de gelegt hat­te“, so Horst R. Kraft, der Paul Frän­zer viel zu ver­dan­ken hat. Die Rei­he wur­de anschlie­ßend im Hotel Baum­ho­ve in glei­cher Form weitergeführt.

Der „letz­te Vor­hang“: Das Wer­be­ban­ner hing bei den Ver­an­stal­tun­gen im Rat­haus hin­ter der Büh­ne vor den Fens­tern zum Marktplatz.

Von 1992 bis 1996 orga­ni­sier­te der Jazz-Club in Zusam­men­ar­beit mit dem Kul­tur­amt Kamen Jazz­ver­an­stal­tun­gen in der dor­ti­gen Stadt­hal­le sowie der Kon­zert­au­la Kamen, bei denen Horst R. Kraft in den Ver­trä­gen immer dar­auf ach­te­te, die Musi­ker im Hotel Baum­ho­ve unter­zu­brin­gen, damit sich Inter­es­sier­te nach dem Kon­zert mit ihnen in Frän­zers Schän­ke zu einem Absa­cker und Gesprä­chen tref­fen konnten.

Höhe­punk­te gab es in der über 30-jäh­ri­gen Ver­eins­ge­schich­te vie­le. Der im ver­gan­ge­nen Jahr ver­stor­be­ne bri­ti­sche Posau­nist Chris Bar­ber war eben­so wie Jazz- und Blues-Sän­ge­rin Syd­ney Ellis regel­mä­ßig zu Gast in der Lip­pe­stadt. Unver­ges­sen ist zudem die ers­te und ein­zi­ge DVD-Pro­duk­ti­on des Ver­eins, bei der ein Kon­zert des US-ame­ri­ka­ni­schen Jazz­mu­si­kers Char­lie Maria­no im Bür­ger­saal mit umfang­rei­cher Tech­nik und fünf Kame­ras fest­ge­hal­ten wur­de. „Die Pro­duk­ti­on ist sehr gut gewor­den“, ist dem pen­sio­nier­ten Leh­rer noch immer die Begeis­te­rung für das beson­de­re Pro­dukt anzumerken.

Unver­ges­sen sind dazu die musi­ka­li­schen Aus­flü­ge aufs Was­ser geblie­ben. Erst auf dem Kanal und spä­ter auf­grund der gro­ßen Reso­nanz auf dem Möh­ne­see fan­den stets aus­ver­kauf­te River­boat-Shuf­fles mit jeweils zwei Bands auf dem Ober- und Unter­deck des Kata­ma­ran MS Möh­ne­see statt – zusam­men mit den befreun­de­ten Jazz­clubs Soest, Lipp­stadt und Arns­berg. In den Hoch­zei­ten hat­te der Ver­ein über 200 Mit­glie­der, zuletzt noch knapp 60.

Nun befin­det sich der Jazz Club in der Auf­lö­sung. „Die Auf­lö­sung des Ver­eins wur­de über einen Wer­ner Notar auf den Weg gebracht und die not­wen­di­gen Unter­schrif­ten von den zur Auf­lö­sung gewähl­ten drei Liqui­da­to­ren des Clubs bereits geleis­tet“, berich­tet Horst R. Kraft. Die offi­zi­el­le Auf­lö­sung wird noch etwa ein drei­vier­tel Jahr dau­ern, erst danach kann der Ver­ein nach nota­ri­el­ler Beglau­bi­gung aus dem Ver­eins­re­gis­ter gelöscht werden.

Schon vor dem Aus­bruch der Pan­de­mie hat­te Horst R. Kraft ange­kün­digt, nach über 30 Jah­ren als Vor­sit­zen­der für die­se Posi­ti­on bei den nächs­ten Vor­stands­wah­len nicht mehr zur Ver­fü­gung zu ste­hen. „Lei­der fand sich nie­mand, der über­neh­men woll­te. Das ist trau­rig“, blickt der Kul­tur­preis­trä­ger der Stadt aus dem Jahr 1998 zurück.

Die Zeit der Live-Ver­an­stal­tun­gen fand mit Beginn der Pan­de­mie ein schnel­les Ende. Das letz­te Kon­zert bei Baum­ho­ve fand am 13. Febru­ar 2020 statt. Meh­re­re wei­te­re Kon­zer­te für das Früh­jahr waren geplant und muss­ten wie­der abge­sagt wer­den. „Bei Kon­zer­ten im Rat­haus waren bei Ein­hal­tung der Abstands­re­geln statt der bis­he­ri­gen 130 Zuhö­rer nur etwa 30 erlaubt. Mit 30 Per­so­nen und einem maxi­ma­len Ein­tritt von 20 Euro kann heu­te kei­ne Band bezahlt wer­den, jede Ver­an­stal­tung wäre ein finan­zi­el­les Minus gewe­sen“, bedau­ert der Club-Initiator.

Wenn die Liqui­da­ti­on des Ver­eins im Herbst been­det und alles abge­wi­ckelt ist, wird der Vor­sit­zen­de aber noch ein­mal aktiv wer­den: „Alle Gel­der, die dann noch auf den Kon­ten des Ver­eins sind, gehen dann an die För­der­ver­ei­ne der Grund­schu­len in Wer­ne. Das Geld soll für die musi­ka­li­sche Fort­bil­dung der Kin­der ver­wen­det wer­den.“ Das ist nicht nur in der Sat­zung so fest­ge­schrie­ben, son­dern eben­so ein per­sön­li­cher Wunsch von Horst R. Kraft. „Somit wer­den eini­ge der Zuschüs­se der ver­gan­ge­nen Jah­re wie­der an die Stadt Wer­ne zurück flie­ßen.“ So schließt sich ein Kreis, der durch jähr­li­che Zuschüs­se aus dem Stadt­haus entstand.

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