Dienstag, März 21, 2023

Vor 50 Jahren beschritt der Motettenkreis neue Wege

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Wer­ne. Als Rein­hold Stock­brüg­ger vor einem hal­ben Jahr­hun­dert den Motet­ten­kreis ins Leben rief, folg­te er den Zei­chen sei­ner Zeit: Die Namen­ge­bung zeugt von einer musi­ka­li­schen Auf­bruch­stim­mung der Nachkriegsjahrzehnte.

 Einen Chor hat­te es seit dem 1. Advent 1925 an der evan­ge­li­schen Stadt­kir­che gege­ben, wie die Mar­tin-Luther-Kir­che damals hieß. „Über sei­ne Tätig­keit wis­sen wir kaum etwas“, bedau­ert Jür­gen Rup­pert, der von 2011 bis 2019 Spre­cher des Motet­ten­krei­ses war. Nach dem Krieg leb­te der evan­ge­li­sche Chor wie­der auf. 1963 über­nahm Rein­hold Stock­brüg­ger, Rek­tor der Paul-Ger­hardt-Schu­le (heu­te Uhland­schu­le) das Ensem­ble. Regel­mä­ßi­ge Abend­mu­si­ken und Kon­zer­te gehör­ten zum Programm.

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Ende der 1960er-Jah­re hat­te der Chor mit einem Mit­glie­der­schwund zu kämp­fen. Stock­brüg­ger erkann­te, dass eine Neu­aus­rich­tung von­nö­ten sei. Ein zug­kräf­ti­ger Name soll­te Auf­merk­sam­keit wecken: Seit dem 15. Juni 1971 tra­ten die Sän­ge­rin­nen und Sän­ger offi­zi­ell als „Motet­ten­kreis“ auf.

Eine Bezeich­nung von his­to­ri­scher Bedeu­tung. „In den Nach­kriegs­jahr­zehn­ten fir­mier­ten vie­le Gesangs­grup­pen lie­ber als ‚Kreis‘ denn als ‚Chor‘“, erklärt der der­zei­ti­ge Chor­lei­ter Rai­ner Kamp. Das soll­te einen Gegen­pol zum kon­ven­tio­nell-pro­fes­sio­nel­len Kon­zert­be­trieb demons­trie­ren. Bezeich­nun­gen wie „Kreis“ oder „Abend­mu­sik“ sug­ge­rier­ten eine leben­di­ge­re, offe­ne­re Atmo­sphä­re, die das Musi­zie­ren für Lai­en attrak­tiv machen soll­te. „Das sind Vor­stel­lun­gen aus der Jugend­mu­sik­be­we­gung, die eher pro­tes­tan­tisch zu ver­or­ten ist“, sagt Kamp.

Stock­brüg­ger habe von die­sen Idea­len her gedacht: „Er gehör­te zu einer star­ken Rie­ge von Chor­lei­tern im Kir­chen­kreis Hamm.“ Die­se leg­ten den sang­li­chen Schwer­punkt auf die Ver­kün­di­gung des Wor­tes und setz­ten neue Akzen­te, indem sie sich auf die Ursprün­ge pro­tes­tan­ti­scher Kir­chen­mu­sik besan­nen – auf die kla­re Linea­ri­tät der Cho­rä­le von Hein­rich Schütz oder Johann Her­mann Schein. Auf der ande­ren Sei­te wur­den Motet­ten zeit­ge­nös­si­scher Kom­po­nis­ten wie Ernst Pep­ping oder Hugo Distler gepflegt, die sich der Erneue­rungs­be­we­gung ver­pflich­tet fühl­ten. „Ich erin­ne­re mich an Chor­bü­cher, da stand auf der einen Sei­te ein Cho­ral von Schütz, auf der ande­ren Sei­te einer von Pep­ping“, sagt Marie Voss, amtie­ren­de Spre­che­rin des Motettenkreises.

Freuen sich auf das Jubiläumskonzert: Marie Voss, Rainer Kamp und Jürgen Ruppert (rechts) vom Motettenkreis. Foto: Anke Barbara Schwarze
Freu­en sich auf das Jubi­lä­ums­kon­zert: Marie Voss, Rai­ner Kamp und Jür­gen Rup­pert (rechts) vom Motet­ten­kreis. Foto: Anke Bar­ba­ra Schwarze

Der neue Name zog. Die Zahl der Chor­mit­glie­der stieg kon­ti­nu­ier­lich. Die Kon­zert­tä­tig­keit beschränk­te sich auf zwei bis drei Pro­jek­te im Jahr, was für die Mit­glie­der­wer­bung von Vor­teil war. „Man singt tol­le Sachen, muss aber nicht jeden Sonn­tag im Got­tes­dienst zur Ver­fü­gung ste­hen“, fasst Voss zusam­men. Auf dem Pro­gramm stan­den anfangs öster­li­che oder advent­li­che Abend­mu­si­ken, Pas­si­ons­kon­zer­te und ein Kon­zert zum 75-jäh­ri­gen Jubi­lä­um der Evan­ge­li­schen Stadt­kir­che. 1981 führ­te der Motet­ten­kreis mit der Mar­kus-Pas­si­on von Bach erst­mals ein gro­ßes Werk auf. Ein Jahr zuvor hat­te die Koope­ra­ti­on mit dem West­fä­li­schen Sin­fo­nie­or­ches­ter (heu­te Teil der Neu­en Phil­har­mo­nie West­fa­len) begonnen.

Die­ses Orches­ter stand bis vor weni­gen Jah­ren den Chö­ren im Kreis Unna für ein bestimm­tes Kon­tin­gent an Auf­füh­run­gen zur Ver­fü­gung. Rup­pert: „Das ermög­lich­te uns, gro­ße Wer­ke mit Orches­ter und Solis­ten auf­zu­füh­ren – was wir sonst nicht hät­ten bezah­len kön­nen.“ 30 Kon­zer­te stell­te der Motet­ten­kreis mit­hil­fe des Sin­fo­nie­or­ches­ters auf die Bei­ne, zum letz­ten Mal 2017 beim Refor­ma­ti­ons­ju­bi­lä­um. In beson­de­rer Erin­ne­rung blie­ben Haydns Schöp­fung und ein Dank­kon­zert nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung 1990 in St. Chris­to­pho­rus. 1991 reis­te der Motet­ten­kreis zu einem Kon­zert nach Kyritz, um die jun­ge Städ­te­part­ner­schaft mit Wer­ne zu fei­ern. 1994 folg­te eine Rei­se in die fran­zö­si­sche Part­ner­stadt Bailleul.

Als Orga­nist enga­gier­te sich Stock­brüg­ger 1980 für die Anschaf­fung einer Becke­rath-Orgel in der Mar­tin-Luther-Kir­che. „Ein wun­der­ba­res Instru­ment“, schwärmt Kamp, „des­sen Klang­spek­trum der baro­cken Kir­chen­mu­sik ver­pflich­tet ist.“ Ganz im Sin­ne der Neu­ori­en­tie­rung, die Stock­brüg­ger am Her­zen lag. Nach sei­nem Tod im Jahr 2007 über­nahm über­gangs­wei­se das Chor­mit­glied Anja Oster­k­em­per die Lei­tung; mit Tho­mas Fabri­zi fand der Motet­ten­kreis dann für meh­re­re Jah­re einen Nachfolger.

Nach­dem Fabri­zi zuneh­mend im Raum Mag­de­burg gebun­den war, konn­te Jür­gen Rup­pert den Kir­chen­mu­si­ker Rai­ner Kamp als Nach­fol­ger gewin­nen. Seit 2015 lei­tet er den Motet­ten­kreis und erwei­ter­te des­sen Band­brei­te durch eine Koope­ra­ti­on mit dem eben­falls von ihm gelei­te­ten Kir­chen­chor St. Vic­tor in Herringen.

2016 brach­te Kamp bei­de Ensem­bles erst­mals für ein dop­pel­chö­ri­ges Kon­zert zusam­men; 2019 bil­de­te das „Sta­bat Mater“ von Antonín Dvořák den letz­ten Höhe­punkt der Zusam­men­ar­beit vor der Coro­na­kri­se. Für die instru­men­ta­le Beglei­tung fand Kamp eine neue Lösung: Dank Kon­tak­ten aus sei­ner Zeit als Kan­tor in Rhy­nern kann er auf einen Fun­dus von Pro­fi­mu­si­kern zurück­grei­fen, die das Kam­mer­or­ches­ter „Kame­ra­ta Lupia“ bilden.

Obwohl die Coro­na­pan­de­mie das Chor­le­ben extrem ein­ge­schränkt hat, sehen Kamp, Voss und Rup­pert hoff­nungs­voll in die Zukunft. Zwar kön­nen Pro­ben und Auf­füh­run­gen nur unter Auf­la­gen und mit einer beschränk­ten Zahl von Sän­gern und Instru­men­ta­lis­ten statt­fin­den. Doch vie­le Musik­ver­la­ge haben sich umge­stellt und geben gro­ße Wer­ke für klei­ne­re Beset­zun­gen her­aus. „Und trotz Coro­na kom­men neue jun­ge Men­schen dazu“, sagt Kamp, „sodass wir ein gutes Fun­da­ment in allen Stimm­la­gen haben.“

Kon­zert des Motet­ten­krei­ses im Kolpingsaal

Am Sonn­tag, 19. Sep­tem­ber, ab 19.30 Uhr fin­det ein Kon­zert des Motet­ten­krei­ses im Kol­ping­saal statt, mit einer redu­zier­ten Beset­zung aus 24 Sän­ge­rin­nen und Sän­gern sowie Instru­men­tal­be­glei­tung. Auf­ge­führt wer­den Wer­ke von Johan­nes Brahms („Schick­sals­lied“, „Vier erns­te Gesän­ge“) sowie „Gott in Ver­klei­dung“ von Lars-Erik Lars­son. Ein Weih­nachts­kon­zert mit einer kon­zer­tan­ten Auf­füh­rung des „Weih­nachts­mu­si­cal“ von Micha­el Lip­pert ist für den 27. Novem­ber geplant; das gro­ße Fest­kon­zert zum Jubi­lä­um wur­de für den 27. März 2022 ange­setzt. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: www.motettenkreis-werne.de.

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