Werne/Stockum. Salat, Fenchel und Stielmus stehen im langen Foliengewächshaus der Gärtnerei Stadtgemüse in Werne-Stockum schon fast erntereif in Reih und Glied. Nebenan wird gerade knackig-frischer Spinat geschnitten und in Kisten verpackt. Den holen anschließend die Ernteteiler der ersten Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) in Werne-Stockum direkt ab. Für das Team um den leidenschaftlichen Gemüsegärtner Laurin Liekenbrock ist nach dem Auftakt zu Ostern jetzt auch die zweite Ernte der Saison eingebracht.
Freitag ist Erntetag an der Neuen Kampstraße (gegenüber Hausnummer 37) in Stockum, mit deren Gründung sich Liekenbrock 2022 den Traum von der Solidarischen Landwirtschaft erfüllt hat. Nach seinem Studium der ökologischen Agrarwissenschaft hat ihn sein Weg in den handwerklichen Gemüseanbau geführt. Als er dann die Möglichkeit bekam, rund zwei Hektar Ackerfläche des Stockumer Landschaftsbaubetriebs Grunewald zu pachten, hat er zugegriffen.
„Hier geht es um mehr als nur Gemüse“, heißt es denn auch auf der Homepage der Gärtnerei Stadtgemüse in der Erzeuger und Verbraucher eine direkte Partnerschaft eingehen, um nachhaltig erzeugte Lebensmittel direkt in der Nähe zu produzieren. Unterstützt wird das Projekt Stadtgemüse von 98 Ernteteilern – finanziell, gemeinschaftlich, mit Herz und Hand.
Seit der ersten Bieter-Runde im November 2022 haben sich die Unterstützer um Laurin Liekenbrock und die beiden fest angestellten Kräfte Anna Kristina Brämswig und Florian Heppner formiert. Die Ernteteiler der Solawi setzen sich mit einem Beitrag von durchschnittlich 28 Euro pro Woche für das Gelingen des Projekts ein. Dafür bekommen sie ihren Anteil an dem frisch geernteten Gemüse.
Mindestens 100 Mitglieder sind das wirtschaftliche Ziel der Solawi, gerne können sich also noch andere Verbraucher anschließen. Weil einer der Teilzeit-Mitarbeiter das Projekt verlässt, hat außerdem die Suche nach einem Gärtner oder einer Gärtnerin begonnen.
„Das Gemüse verliert seinen Preis und bekommt seinen Wert zurück.“
Laurin Liekenbrock
„Einen Festpreis gibt es nicht, wohl aber einen Richtwert von 112 Euro im Monat“, schildert Liekenbrock, dass die Beiträge der beteiligten Haushalte zwischen 70 bis 150 Euro pro Monat liegen. Die Verträge werden jeweils für ein Jahr abgeschlossen. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, erklärt er das genossenschaftlich ausgelegte Solawi-Prinzip: „Das Gemüse verliert seinen Preis und bekommt seinen Wert zurück.“
Die Mitglieder der Solidargemeinschaft stemmen im Saisonverlauf die Produktion von rund 50 bis 60 Gemüsesorten sowie die Betriebskosten und helfen bei gemeinsamen Wochenendeinsätzen an vielen Stellen in der Gärtnerei. Denn nicht nur Pflanzen, Jäten und Bodenpflege stehen auf Arbeitsliste, auch die betriebliche Infrastruktur muss gewuppt werden. „Wir zahlen übertariflichen Lohn, bilden Rücklagen für den Betrieb und schaffen Infrastruktur für Strom und Wasser“, erläuterte Laurin Liekenbrock.
Die Verlegung der Bewässerungsanlage ist fast fertig, eine Solaranlage soll bald folgen. Allerdings ist man wegen des nassen und kühlen Frühjahrs bei der Bewirtschaftung der Außenflächen etwa fünf Wochen zurück. Die Sorgfalt bei der Gemüseanzucht geht mit einer an ökologischen Methoden orientierten Bodenbearbeitung einher.
Im kleineren Anzucht-Gewächshaus stehen Jungpflanzen warm und hell in Kisten mit torffreier Anzuchterde. Porree, Zucchini, Salat, Blumenkohl, Kohlrabi, Dill und vieles mehr können hoffentlich bald ins Freiland. Später folgen Tomaten, Paprika, Kürbis oder Gurken.
Vielfalt und Geschmack, Gemüseraritäten wie Haferwurzel und Palmkohl, Rezepte und Anleitungen zum Zubereiten des Gemüses und eine handgemachte Agrarwende sind für die Stadtgemüse-Gärtner und Ernteteiler gute Gründe genug, die Sache mit dem Anbau von Gemüse von der Saat bis auf den Teller buchstäblich selbst in die Hand zu nehmen. So sind die Mitmach-Kinder der Mitglieder beim Säen und Pflanzen selbstverständlich dabei. Auch werden perspektivisch umweltpädagogische Angebote angedacht.
www.solawi-werne.de