Mittwoch, März 29, 2023

Vom „schwarzen Magistrat“ und treulosen Schwan

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Nach­dem Anfang des Som­mers 1931 der Stadt­see, damals noch „Teich im Hagen“ genannt, zum ers­ten Mal voll­ge­lau­fen war und die sich zahl­reich ange­sam­mel­ten Pad­del­boo­te wegen der Ufer­be­schä­di­gun­gen durch Poli­zei­ver­fü­gung ent­fernt wor­den waren, begab sich eine Geschich­te, die in Wer­ne schnell die Run­de machen sollte.

Ein Mit­glied des „schwar­zen Magis­trats“ hat­te sie, nach­dem eini­ge Zeit ver­gan­gen war, in der „Wer­ner Zei­tung“ ver­öf­fent­licht. Damals tag­te die­se „gesetz­wid­ri­ge Kör­per­schaft“ noch im Hagen. Inzwi­schen hat­te sie aber ihr Domi­zil gewech­selt und hielt an lan­gen Aben­den ihre Tref­fen irgend­wo im ver­steck­ten Win­kel einer Knei­pe ab, wo all die im Som­mer erleb­ten und gehör­ten Geschich­ten ihre Auf­er­ste­hung fei­er­ten und wo sie bei jeder Nach­er­zäh­lung eine ande­re Fär­bung und viel­fach auch eini­ge eigen­mäch­ti­ge Zusät­ze erhielten.

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Die Geschich­te mit dem Schwan aber, die wirk­lich ver­dient, in den gebun­de­nen Jahr­gän­gen der „Wäen­schen Tie­dung“ (Wer­ner Zei­tung) fest­ge­hal­ten zu wer­den, geben wir heu­te in der ver­bürg­ten Ori­gi­nal­fas­sung wieder:

Im Früh­ling 1931 sie­del­te die Stadt­ver­wal­tung auf der Teich­in­sel ein Schwa­nen­paar an. Es soll­te das Aus­stel­lungs- und Para­de­stück unse­rer Stadt wer­den. Ihm galt denn auch die Bewun­de­rung der Frem­den und das ste­te Inter­es­se von Groß und Klein in Wer­ne. Stolz und majes­tä­tisch zogen die Schwä­ne laut­los ihre Bahn und die edlen For­men ihrer Kör­per, die klas­si­sche Hal­tung und das Schnee­weiß berausch­ten jeden Freund wah­rer Schönheit.

Das Fami­li­en­le­ben des Paa­res schien gera­de­zu vor­bild­lich und da Bennetz’ken die edlen Tie­re Tag für Tag pünkt­lich mit gro­ßen Stü­cken wei­ßen Stu­tens ver­sorg­te, dach­te jeder­mann, dass die­ses Fami­li­en­glück voll­kom­men sei. Eines Tages aber trat eine Kata­stro­phe ein: Der stol­ze Schwan mach­te sich davon und flog mit rie­si­gen Flü­gel­schlä­gen süd­wärts zur Lip­pe und den Fluss auf­wärts. Wie man eini­ge Tage spä­ter fest­stell­te, hat­te er sein Domi­zil auf dem Rad­bo­der See in Bockum-Hövel aufgeschlagen.

In Wer­ne war die Bestür­zung groß – nament­lich im schwar­zen und im ordent­li­chen Magis­trat. Bei der Schwä­nin tra­ten indes erheb­li­che Depres­sio­nen ein und sie nahm tage­lang kei­nen Stu­ten mehr von Bennetz’ken an. Auf der Fut­ter­ram­pe wur­de eiligst ein Kol­le­gi­um gebil­det, das die Ursa­chen erör­tern und Maß­nah­men ergrei­fen soll­te, um den ehe­li­chen Frie­den wie­der her­zu­stel­len. Man einig­te sich dahin, dass eine fei­er­li­che Abord­nung den Schwan auf dem Rad­bo­der Zechen­teich auf­su­chen und ihn zur Rück­kehr bewe­gen soll­te. Das wur­de denn auch wie bespro­chen angegangen.

Als sich unse­re Ver­tre­ter dem Aus­rei­ßer näher­ten, ergriff er jedoch die Flucht. Er erhob sich in die Lüf­te und kreis­te in küh­nem Bogen über Hamm. Bestürzt und nie­der­ge­schla­gen kehr­te unse­re Abord­nung nach Wer­ne zurück. Meh­re­re Wochen, die mit aus­gie­bi­gen Bera­tun­gen aus­ge­füllt sein soll­ten, ver­stri­chen. Schließ­lich fand einer den ret­ten­den Aus­weg. Nun zogen sie mit dem Feu­er­wehr­au­to aber­mals los. Ein gro­ßer Draht­git­ter­kas­ten, in dem die Schwä­nin in ban­ger Erwar­tung saß, wur­de auf den Rad­bod-See hin­aus­ge­ru­dert. Als ihr Gat­te die arme Ver­las­se­ne erblick­te, schoss er wie ein Pfeil in den Käfig. Wäh­rend der rüh­ren­den Aus­söh­nung aber zogen unse­re wacke­ren Schwa­nen­fän­ger, die hin­ter dem Gebüsch am Ufer saßen, mit einer lan­gen Lei­ne die Käfig­tür zu. Es war vollbracht.

Weni­ge Stun­den spä­ter schwamm er wie­der majes­tä­tisch auf unse­rem Hagen­teich, zwar mit fest­ge­klemm­ten Flü­geln (Anm. d. Red. Stut­zung der Schwung­fe­dern), aber den­noch erho­be­nen Haup­tes und stolz geschwun­ge­nen Hal­ses. Wie ein Admi­rals­schiff in der Flot­til­le aus zahl­rei­chen Enten und See­hühn­chen sah er aus. Und im Kiel­was­ser glitt sei­ne Gat­tin dahin, aus­ge­söhnt und zärt­lich wie nie zuvor.

Nach einer wah­ren Geschich­te, bear­bei­tet von Rai­ner Schulz.

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