Donnerstag, März 30, 2023

Lothar Christ: „Es ist gut, wenn es zum Bürgerentscheid kommt“

Anzeige

Wer­ne. In der öffent­li­chen Dis­kus­si­on über den Gewer­be­stand­ort Nord­lip­pe­stra­ße mel­det sich jetzt auch Bür­ger­meis­ter Lothar Christ zu Wort. Der Ver­wal­tungs­chef hat gro­ßes Ver­ständ­nis für den Pro­test der Bür­ger gegen das Pro­jekt, will aber wei­ter an den Pla­nun­gen des Indus­trie- und Gewer­be­ge­bie­tes fest­hal­ten. Das ange­streb­te Bür­ger­be­geh­ren fin­det sei­ne Unter­stüt­zung. Das schreibt Christ in einer umfang­rei­chen Stellungnahme.

„In einer Demo­kra­tie ist es rich­tig und wich­tig, das bedeu­ten­de Ent­schei­dun­gen kon­tro­vers dis­ku­tiert wer­den. So auch die Ent­schei­dung für das geplan­te Gewer­be­ge­biet nörd­lich der Nord­lip­pe­stra­ße“, schreibt der Bür­ger­meis­ter. Schließ­lich sei­en sowohl die posi­ti­ven Ent­wick­lungs­chan­cen, die mit einer wei­te­ren gewerb­li­chen Ent­wick­lung ver­bun­den sind, bedeut­sam, als auch die gewich­ti­gen Aspek­te des Klima‑, Umwelt- und Natur­schut­zes, die glei­cher­ma­ßen zu berück­sich­ti­gen seien.

- Advertisement -

Dem­entspre­chend habe er auch gro­ßes Ver­ständ­nis für den Pro­test eini­ger Bür­ger. Den­noch sei der mehr­heit­li­che Beschluss des Aus­schus­ses für Stadt­ent­wick­lung, Pla­nung und Wirt­schafts­för­de­rung, in ein sol­ches Plan­ver­fah­ren ein­zu­stei­gen, abso­lut rich­tig und nachvollziehbar.

Das aus gutem Grund, wie Christ meint: In ers­ter Linie sei die Ansied­lung neu­er Betrie­be wirt­schaft­lich not­wen­dig, um in Wer­ne aktiv neue Arbeits­plät­ze zu schaf­fen und den guten Bestand an Arbeits­plät­zen zu sichern. Mit Hil­fe der neu­en Gewer­be­an­sied­lung steue­re die Stadt die­ser Gefahr bewusst ent­ge­gen und ver­spre­che sich von den damit ein­her­ge­hen­den Ent­wick­lungs­chan­cen, dass Wer­ne lebens- und arbeits­wert blei­be sowie dank der Ein­nah­men noch­mals ver­mehrt an Attrak­ti­vi­tät gewinne.

Die aktu­ell bestehen­den Gewer­be­flä­chen neh­men laut Christ weni­ger als fünf Pro­zent  der ver­sie­gel­ten Flä­che in Wer­ne ein, machen aber rund 70 Pro­zent der städ­ti­schen Ein­nah­men aus. „Ein­nah­men, mit denen die Stadt unter ande­rem auch aktiv wich­ti­ge Kli­ma- und Umwelt­schutz­pro­jek­te finan­ziert“, schreibt der Verwaltungschef.

Aber war­um greift man für die Ansied­lung neu­er Betrie­be nicht auf bereits bestehen­de Flä­chen zurück, wie es in der öffent­li­chen Dis­kus­si­on ange­regt wird?  Christ gibt die Ant­wort: In Wer­ne sei­en nahe­zu alle bestehen­den Gewer­be­flä­chen ver­äu­ßert und kei­ne Brach­flä­chen ver­füg­bar. Das gel­te auch für das Gelän­de des Ger­stein­werks, weil dort noch not­wen­di­ge Gas­ver­stro­mung für den Ener­gie­markt statt­fin­de und es außer­dem der Kapa­zi­täts­re­ser­ve für die Netz­sta­bi­li­tät in Deutsch­land die­ne. Da sich im Wer­ner Süden ein Natur­schutz­ge­biet befin­de und im Osten der Regio­nal­plan einem sol­chen Vor­ha­ben ent­ge­gen­ste­he, gebe es zum neu­en Stand­ort auch kei­ne Alter­na­ti­ve. „Die Ver­wal­tung möch­te an die­ser Stel­le jedoch noch ein­mal deut­lich machen, dass die Flä­che süd­lich der Nord­lip­pe­stra­ße nicht Bestand­teil des ein­ge­lei­te­ten Bau­leit­plan­ver­fah­rens für das neue Gewer­be­ge­biet ist“, betont der Bür­ger­meis­ter, dass das Erho­lungs­ge­biet am Grü­nen Win­kel nicht ange­tas­tet wer­den soll.

Gleich­wohl sei sich Bür­ger­meis­ter Christ der Beden­ken im Sin­ne des Kli­ma- und Umwelt­schut­zes bewusst, heißt es in der Stel­lung­nah­me. Unstrei­tig stel­le das geplan­te Gewer­be­ge­biet einen Ein­griff in Natur und Umwelt dar. Wie stark der Ein­griff jedoch sei, hän­ge maß­geb­lich von der Art der in die­sem Fall inten­siv bewirt­schaf­te­ten Flä­che ab. Die Stadt wer­de des­halb den Kli­ma- und Umwelt­schutz bei den pla­ne­ri­schen und bau­li­chen Maß­nah­men des neu­en Gewer­be­ge­biets in hohem Maße berück­sich­ti­gen müs­sen. Anders als von Kri­ti­kern in den Raum gestellt, bedeu­te der Koope­ra­ti­ons­stand­ort dar­über hin­aus nicht, dass das Plan­ver­fah­ren oder die Ent­schei­dung, wel­che Unter­neh­men sich im Gewer­be­ge­biet ansie­deln, nicht in der Hand der Stadt Wer­ne lie­gen. Sicher sei aber auch, dass mit der Ent­ste­hung neu­er Gewer­be­flä­chen der Anteil des ver­sie­gel­ten Stadt­ge­biets steige.

„Unab­hän­gig vom Aus­gang hat die­se wich­ti­ge Ent­schei­dung für die wei­te­re Ent­wick­lung von Wer­ne damit die größt­mög­li­che Legitimation.“

Bür­ger­meis­ter Lothar Christ zu einem mög­li­chen Bürgerentscheid.

Die Ver­mei­dung eines über­mä­ßi­gen Flä­chen­fra­ßes sei jedoch nicht nur in Wer­ne, son­dern deutsch­land­weit ein The­ma, und habe zu einer vom Bun­des­ka­bi­nett fest­ge­leg­ten Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie geführt. Dem­nach soll der Flä­chen­ver­brauch in Deutsch­land durch geziel­te Steue­rung über die Lan­des- und Regio­nal­pla­nung bis 2030 auf unter 30 Hekt­ar pro Tag redu­ziert wer­den. Damit die­ses Ziel erreicht wird, wür­den neue Gewer­be- und Wohn­flä­chen­be­dar­fe nur sehr restrik­tiv zuge­spro­chen. „Mit einem neu­en Gewer­be­ge­biet, wie an der Nord­lip­pe­stra­ße geplant, bewe­gen wir uns im Rah­men die­ses Kon­tin­gen­tes und damit auch im Rah­men der Deut­schen Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie,“ erklärt der Bür­ger­meis­ter. Außer­dem müs­se man ent­spre­chend hohe Kli­ma- und Umwelt­maß­stä­be ansetz­ten: „Eine Schwer­indus­trie mit hohen, rau­chen­den Schorn­stei­nen wol­len wir daher auch in Zukunft nicht haben.“

Einem mög­li­chen Bür­ger­be­geh­ren sieht Bür­ger­meis­ter Lothar Christ posi­tiv ent­ge­gen: „Es ist gut, wenn es zum Bür­ger­ent­scheid kommt. Unab­hän­gig vom Aus­gang hat die­se wich­ti­ge Ent­schei­dung für die wei­te­re Ent­wick­lung von Wer­ne damit die größt­mög­li­che Legi­ti­ma­ti­on.“ Gleich­wohl möch­te der Bür­ger­meis­ter mög­lichst zeit­nah in einen inten­si­ven Dia­log mit den Initia­to­ren des Bür­ger­be­geh­rens tre­ten und der Öffent­lich­keit für die Beant­wor­tung auf­ge­wor­fe­ner Fra­gen rund um das The­ma Gewer­be­ge­biet zur Ver­fü­gung stehen.

Vor­ab gibt Bür­ger­meis­ter Christ aber zu beden­ken: „Wenn alle 11.000 Kom­mu­nen in Deutsch­land jetzt sagen: Wir geben der gewerb­li­chen Wirt­schaft kei­ne Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten mehr, dann wird unser Land weder wirt­schaft­lich funk­tio­nie­ren noch eine füh­ren­de Rol­le im Kli­ma­schutz über­neh­men. Statt­des­sen soll­ten wir in Deutsch­land und auch hier in Wer­ne zei­gen, wie man klug mit die­sem schein­ba­ren Wider­spruch umgeht und ein nach­hal­ti­ges an Zie­len des Kli­ma- und Umwelt­schut­zes ori­en­tier­tes Gewer­be­ge­biet plant und entwickelt.“

Anzeige

Weitere Artikel von Werne Plus

Inka Overbeck liest in KvG-Schule einen spannenden Kinder-Krimi

Stockum. Auf Einladung von Bücher Beckmann las die Münsteraner Autorin Inka Overbeck in der Kardinal-von-Galen-Schule aus ihrem Buch „Das Geheimnis um die Tuckesburg“, erschienen...

Herbern Parat bittet am 2. April 2023 wieder zum Dorffest

Herbern. Nach drei Jahren Pause ist es endlich wieder soweit. Herbern Parat zeigt am Sonntag, 2. April, von 11 bis 18 Uhr, wie man...

Radeln, Schwimmen und mehr: Kolping startet in den Frühling

Werne. Mit gleich fünf Angeboten beginnt das zweite Quartal bei der Kolpingsfamilie Werne. Am Samstag, 1. April, nehmen Kolpingschwestern und Kolpingbrüder gebrauchte Kleidung, Bettwäsche, Schuhe,...

„Weltruhmtour 2023“: See, Huppert und Reimann begeistern im flözK

Werne. Die Lust des Publikums darauf, nach der Pandemie mal wieder herzhaft zu lachen, sorgte für ein ausverkauftes Haus im Kulturzentrum flözK am vergangenen...

2 Kommentare

  1. Sehr geehr­ter Herr Bür­ger­meis­ter Christ,

    dass Sie sich noch­mals zum Indus­trie- und Gewer­be­ge­biet posi­tio­niert haben, kann man nur begrü­ßen. Dass nun auch die Frak­tio­nen aus ihrer Deckung her­vor­kom­men und den offe­nen Dia­log mit den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern anbie­ten, ebenfalls.
    Spit­ze Pfei­le, wenn auch mit Ver­ständ­nis, in Rich­tung derer zu schie­ßen, die sich gegen ein sol­ches Vor­ha­ben for­mie­ren, ist abso­lut legi­tim. Wenn man bei der Wahr­heit bleibt und den Wor­ten Taten fol­gen lässt.

    Es liegt offen­bar in der Natur der Sache, dass Bür­ger­initia­ti­ven oder sol­che Per­so­nen, die sich gegen einen Rats­be­schluss aus­spre­chen, von der Poli­tik zunächst der Über­trei­bung und dem Ver­brei­ten von Halb- bzw. Unwahr­hei­ten bezich­tigt werden.
    Die ers­te Unwahr­heit (oder ist es eine Halb­wahr­heit?) von Ihrer Sei­te fin­det sich bereits in der Über­schrift Ihrer Pres­se­mit­tei­lung vom 17.05.2021 im Lokal­teil der RN/des WA – ob von Ihnen so vor­ge­ge­ben oder von der loka­len Pres­se eigen­mäch­tig ver­schlimm­bes­sert, ver­mag ich hier nicht zu beur­tei­len. Die Wahr­heit ist jedoch, dass es sich bei den Pla­nun­gen um ein zweck­ge­bun­de­nes Indus­trie- und Gewer­be­ge­biet han­delt, dass nicht ansatz­wei­se mit Gewer­be­ge­bie­ten zu ver­glei­chen ist, wie wir sie in Wer­ne bereits haben. Der Bür­ger wird hier mei­ner Mei­nung nach bereits in die Irre geführt!
    (Quel­le: Sach­li­cher Tei­le­plan „Regio­na­le Koope­ra­ti­ons­stand­or­te zum Regio­nal­plan Ruhr” Teil A + B, Anla­ge 1, Stand April 2020)

    Die zwei­te erwäh­nens­wer­te Halb­wahr­heit befin­det sich zum Ende Ihrer Pres­se­mit­tei­lung, indem Sie im Namen der Ver­wal­tung beto­nen, dass der Teil süd­lich der Nord­lip­pe­stra­ße nicht Bestand­teil des ein­ge­lei­te­ten Bau­leit­plan­ver­fah­rens ist. Wahr ist jedoch mit Ver­weis auf die zuvor genann­te Quel­le, dass der Süden Bestand­teil der RVR Pla­nung bzw. Beschluss­vor­la­ge ist, und dass der Nor­den ohne den Süden gar nicht mög­lich ist, da eine Sied­lungs­an­bin­dung, die zur Rea­li­sie­rung einer sol­chen Flä­chen­um­nut­zung zwin­gend not­wen­dig ist, mit dem Teil­stück nörd­lich der Nord­lip­pe­stra­ße allein nicht gewähr­leis­tet ist.

    Ver­bind­li­che Quel­len bele­gen zudem, dass in der Kreis­tags­sit­zung vom 15.12.2020 ursprüng­lich nur der Süden vor­ge­se­hen war und auf Antrag der CDU Kreis­tags­frak­ti­on der Nor­den zusätz­lich als Koope­ra­ti­ons­stand­ort in Wer­ne mehr­heit­lich beschlos­sen wur­de. Somit steht also fest, dass das zweck­ge­bun­de­ne Gewer­be- und Indus­trie­ge­biet eine Flä­che von rund 600.000 m² umfas­sen kön­nen wird.

    Sehr geehr­ter Herr Bür­ger­meis­ter, Sie haben sich, so wie die SPD, die FDP und die Akti­ons­ge­mein­schaft WIR für Wer­ne zuvor, zwar posi­tio­niert und begrün­den Ihre Hal­tung, aber Trans­pa­renz ist in kei­ner der Stel­lung­nah­men erkenn­bar. Es ist Ihrer­seits zwin­gend erfor­der­lich, dass Sie Ihren Mit­bür­gern deut­lich vor Augen füh­ren, was dort auf sie zukom­men könn­te. Es gibt kei­ne sau­be­re Indus­trie in die­ser Grö­ßen­ord­nung. Selbst dann nicht, wenn die Flä­chen mit Logis­tik zuge­baut und die Dächer mit Begrü­nung und Pho­to­vol­ta­ik ver­se­hen wer­den, denn ohne Schwer­last­ver­kehr kei­ne Logistik!

    Ohne das Vor­ha­ben mit der Rea­li­sie­rung einer Logis­tik für den Pum­pen­her­stel­ler Wilo aus Dort­mund im Wahr­brink angrei­fen zu wol­len ver­deut­licht es doch, wie nied­rig der Anteil an Beschäf­tig­ten pro Qua­drat­me­ter in Logis­tik­zen­tren tat­säch­lich ist. Und die­ser Anteil sowie die Höhe der Löh­ne bestim­men letzt­lich die Höhe der Ein­künf­te der Stadt. Die Rela­ti­on soll­te dem Bür­ger von Ihnen deut­lich vor Augen geführt werden.

    Wer­ne zählt in den letz­ten Jah­ren auf Basis der Katas­ter­flä­chen­un­ter­su­chung nach Nut­zungs­ar­ten im Kreis Unna nach Bönen bereits zu den Spit­zen­rei­tern der Gewer­be­flä­chen­ent­wick­lung (Quel­le: IT.NRW). Pro­zen­tu­al steht Wer­ne damit weit über dem Kreis­durch­schnitt und sogar über dem Durch­schnitt der Metro­po­le Ruhr!
    Also müs­sen wir uns doch fra­gen, mit wel­chen Begriff­lich­kei­ten unse­re (noch) lebens­wer­te Stadt in Zukunft in Ver­bin­dung gebracht wer­den soll. Wäh­rend man Städ­te wie Marl, Lever­ku­sen oder Lud­wigs­ha­fen unwei­ger­lich mit den dort ange­sie­del­ten Che­mie­parks asso­zi­iert, könn­te Wer­ne zum Logis­tik-Hot­spot werden.

    Dass Sie dem Bür­ger­be­geh­ren und einem Bür­ger­ent­scheid posi­tiv gegen­über­ste­hen ist nach­voll­zieh­bar, da die­ser Pro­zess der Demo­kra­tie für Sie kei­ner­lei Nach­tei­le dar­stellt. Denn soll­te dies schei­tern ist Ihre Posi­ti­on gefes­tigt. Soll­te der Bür­ger­ent­scheid aller­dings den Beschluss kip­pen, kön­nen Sie sich auf die Ent­schei­dung durch die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger Ihrer Stadt berufen. 

    In den kom­men­den Wochen wer­den vie­le Fra­gen an Sie gestellt, auf die Sie dann auch bit­te kla­re und ver­bind­li­che Ant­wor­ten geben soll­ten. Ich freue mich auf kon­struk­ti­ve Gespräche.

    Mit freund­li­chen aber besorg­ten Grüßen
    Axel Kersting

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein