Mittwoch, März 29, 2023

Gedenken an die Pogromnacht

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Wer­ne. In der Gas­se zwi­schen Markt und Bonen­stra­ße zeu­gen heu­te zwei Boden­plat­ten mit Skiz­zen der ehe­ma­li­gen Syn­ago­ge und jüdi­schen Schu­le vom jüdi­schen Leben, das einst, so Bür­ger­meis­ter Lothar Christ am Diens­tag in sei­ner Anspra­che zum Geden­ken an die Pogrom­nacht des 9. Novem­ber 1938, tief in der Stadt ver­wur­zelt gewe­sen sei. 

„Skiz­zen der ehe­ma­li­gen Syn­ago­ge und der jüdi­schen Schu­le machen eben­so wie die dazu gehö­ri­gen Erläu­te­run­gen deut­lich, dass an die­ser Stel­le ein Schwer­punkt jüdi­schen Lebens in Wer­ne war“, sag­te er.

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Genau vor einem Jahr aller­dings, habe er mit­tei­len müs­sen, dass die tra­di­tio­nel­le Gedenk­ver­an­stal­tung aus­fal­len müs­se. Grund sei­en die Ein­schrän­kun­gen der Coro­na-Pan­de­mie gewe­sen. „Was wir damals noch nicht wuss­ten: Am sel­ben Tag, dem 9. Novem­ber 2020, konn­te die Fir­ma Pfi­zer und das For­scher­ehe­paar Özlem Türe­ci und Ugur Sahin, die Mit­grün­der der Fir­ma BioNTech aus Mainz, der Welt­öf­fent­lich­keit eine bahn­bre­chen­de Mit­tei­lung machen: Der vor­nehm­lich von ihnen ent­wi­ckel­te Covid-19-Impf­stoff hat­te sich mit einer mehr als 90-pro­zen­ti­gen Wirk­sam­keit als erfolg­reich gezeigt!“ 

Der 9. Novem­ber 2020 sei somit in zwei­fa­cher Wei­se durch Coro­na geprägt gewe­sen. Zum einen hat­te das Coro­na-Virus die Durch­füh­rung der tra­di­tio­nel­len Gedenk­ver­an­stal­tung ver­hin­dert. Zum ande­ren wür­de der an die­sem Tag bekannt gewor­de­ne Impf­stoff unzäh­li­gen Men­schen welt­weit helfen.

Die Gedenk­ver­an­stal­tung war am Diens­tag (9. Novem­ber) gut besucht. Foto: Gaby Brüggemann

Christ erin­ner­te dann vor den Teil­neh­mern der gut besuch­ten Ver­an­stal­tung an Gewalt und Schre­cken der Pogrom­nacht, an die „zahl­rei­chen Über­grif­fe in ganz Deutsch­land, an die Brän­de in 1.400 Syn­ago­gen und ande­ren jüdi­schen Ein­rich­tun­gen, an die Ver­schlep­pung von Men­schen, an etwa 1.500 Tote und zahl­lo­se Ver­letz­te, an Hetz­jag­den und Plün­de­run­gen. Und von all dem war Wer­ne nicht aus­ge­nom­men“, sag­te er.

Heu­te – 83 Jah­re spä­ter – wür­den Erin­ne­rungs­ver­an­stal­tun­gen wie die­se kri­tisch hin­ter­fragt. Gefragt wer­de auch, war­um heu­te immer noch soge­nann­te Stol­per­stei­ne ver­legt und Denk­mä­ler sowie Erin­ne­rungs­ta­feln errich­tet wer­den. „Ohne gründ­li­ches Wis­sen um sei­ne Geschich­te kann auf die Dau­er kein Volk bestehen…. Wenn ein Volk aber ver­sucht, in und mit sei­ner Geschich­te zu leben, dann ist es gut bera­ten, in und mit sei­ner gan­zen Geschich­te zu leben und nicht nur mit ihren guten und erfreu­li­chen Taten“, ver­wies Christ auf die Wor­te des ehe­ma­li­gen Bun­des­prä­si­den­ten Roman Herzog.

Bür­ger­meis­ter Lothar Christ erin­ner­te an die Schre­cken der Pogrom­nacht. Foto: Gaby Brüg­ge­mann
 

Wer­nes Bür­ger­meis­ter schlug den Bogen zu dem His­to­ri­ker Wolf­gang Niess und des­sen kürz­lich erschie­ne­nen Buch mit dem Titel: „Der 9. Novem­ber – Die Deut­schen und ihr Schick­sals­tag“. Niess selbst ste­he zwar dem vom Ver­lag im Unter­ti­tel gewähl­ten Begriff „Schick­sals­tag“ skep­tisch gegen­über, sehe aber durch­aus Ver­bin­dungs­li­ni­en zwi­schen den his­to­ri­schen Ereig­nis­sen, die jeweils auf einen 9. Novem­ber fie­len: „Die Revo­lu­ti­on 1918, der Hit­ler­putsch 1923, die Pogrom­nacht 1938 und der Fall der Ber­li­ner Mau­er 1989.“ Nach Auf­fas­sung von Niess spie­ge­le sich im 9. Novem­ber wie in kei­nem ande­ren Tag des Jah­res der lan­ge, von furcht­ba­ren Rück­fäl­len unter­bro­che­ne Kampf um die Demo­kra­tie in Deutsch­land. Und erst 2018 habe man erst­mals mit einer Gedenk­stun­de im Bun­des­tag an die Novem­ber-Revo­lu­ti­on von 1918 erinnert.

His­to­ri­ker Niess mache deut­lich, dass die Ereig­nis­se am jewei­li­gen 9. Novem­ber der Jah­re 1918, 1923 und 1938 ein­an­der bedin­gen, dass aber auch die Hin­zu­nah­me des 9. Novem­ber 1989 eine Gesamt­be­wer­tung erlau­be. Bun­des­prä­si­dent Frank-Wal­ter Stein­mei­er habe in sei­ner Gedenk­re­de 2018 vor dem Bun­des­tag gesagt: „Am 9. Novem­ber erin­nern wir Deut­sche an bei­des: an Licht und an Schat­ten unse­rer Geschich­te. Die­ser Tag ist ein Tag der Wider­sprü­che, ein hel­ler und ein dunk­ler Tag. Ein Tag, der uns das abver­langt, was für immer zum Blick auf die deut­sche Ver­gan­gen­heit gehö­ren wird. Die Ambi­va­lenz der Erinnerung.“

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