Von Hubert Kramer
Werne. Wenn Petra Deutsch über ihre Gäste spricht, dann strahlt sie, leuchten ihre Augen. Die 61-jährige Wernerin beherbergt auf ihrem Anwesen in der Lippestadt Menschen, die oft schon lange unterwegs sind: Pilger auf dem Jakobsweg. Unterkunft finden sie nicht in einem Sterne-Hotel oder Gästezimmer, sondern in einem Bauwagen…
In einem Bauwagen, kann das sein? Und ob! Denn dieser Bauwagen ist sehr speziell. Petra Deutsch und ihr Mann Eckhart sowie Freunde haben diesen ausgedienten „Schuppen auf Rädern“ mit Sachverstand und geschickter Hand wieder hergerichtet, erweitert und ausgebaut. Wer dieses zunächst unscheinbare Domizil betritt, kann es kaum glauben: Eine einladende Couch-Ecke in der Mitte, links eine kleine, aber schnuckelige Küche, dazwischen ein Mini-Bad, rechts ein schon fast riesiges Doppelbett, nahe dem Fußende ein Kamin-Ofen, der bei Bedarf für Wärme sorgt. Ein wahrer Wohlfühl-Ort, ein kleines Paradies.
„Ja“, sagt Petra Deutsch, „die Resonanz unserer Besucher ist ganz positiv.“ Wer die Kommentare in ihrem gut gefüllten Gästebuch liest, stellt schnell fest: Das ist eine glatte Untertreibung. „Petra, Du bist eine Zauberin!“, schreiben Gaby und Silke. Auch Marlies und Nils-Uwe aus Neuendorf, gerade auf dem Jakobsweg Richtung Köln unterwegs, sind begeistert. „Wir danken euch für eure Gastfreundschaft und euer Vertrauen an uns und sind so glücklich, hier zu übernachten!!“, bringen sie es auf den Punkt.
Zusammenrücken ist angesagt
„Das Vertrauen muss in beide Richtungen gehen“, weiß Petra Deutsch, die sich auch als anerkannte Heilpraktikerin einen Namen gemacht hat. Mit ihrer positiven Einstellung gegenüber Menschen ist sie bisher immer gut gefahren. „Wer auf dem Jakobsweg pilgert und beispielsweise im Kapuzinerkloster Werne keine Unterkunft mehr findet, klingelt bei mir nicht vergebens an“, verspricht sie.
Auch wenn alle Beteiligten mal enger zusammenrücken müssen, weil der Bauwagen eigentlich nur für zwei ausgewachsene Menschen ausgelegt ist. So geschehen, als einmal fünf Pilgerinnen anfragten, ob sie dennoch irgendwie unterkommen könnten: „Geht das?“
Petra Deutsch brauchte nicht lange zu überlegen. „Das kriegen wir hin“, antwortete sie beherzt. In kürzester Zeit rüstete sie den Bauwagen um: die Couch umfunktioniert als zusätzliches Bett, Tische, Vasen und fast alle anderen Möbel raus, ein paar Handtücher mehr ins Bad, Luftmatratzen rein – und fertig. „Ihr müsst aber morgen schon um 8 Uhr zum Frühstück kommen“, schränkte sie ihr sonst auch später gültiges Angebot fast bedauernd ein, „morgen wird in der Nachbarschaft Kommunion gefeiert, da will ich bei den Vorbereitungen helfen.“ Als wenn sie nichts anderes zu tun hätte…
Jeder Besuch hat seine eigene Geschichte. So auch Katja aus Rügen, schon mehrere Wochen auf dem Jakobsweg. Das Gespräch am Telefon könnte in etwa so gelaufen sein. Katja: „Kann ich bei Ihnen übernachten?“ Petra Deutsch: Ja, klar.“ Katja: „Da ist nur ein Problem, ich habe ein Pferd und zwei Hunde dabei…“ Petra Deutsch: „Das ist hier bei uns mal gar kein Problem.“
Will sagen: Das Anwesen der Familie Deutsch bietet in seinem geordneten Durcheinander reichlich Platz und Auslauf, es ist quasi die „deutsche“ Variante zur Villa Kunterbunt. Pippi Langstrumpf würde hier nie wieder weg wollen.
Auch Daniel aus Norwegen legte auf dem weiten Weg nach Santiago de Compostela, dem legendären Zielort der Jakobs-Pilger, in Werne einen Zwischenstopp bei der Familie Deutsch ein. Offenbar hat’s ihm gefallen, er schickt immer noch Postkarten von dem Ort, an dem er sich gerade aufhält.

So fing alles an
Warum macht eine Frau wie Petra Deutsch so etwas? Vor ein paar Jahren hatte eine Nachbarin in einer Landzeitung gelesen, dass die Jakobspilger weitere Herbergen auf dem Westfälischen Jakobsweg suchten. „Das kannst Du doch machen, Petra“, meinte die Nachbarin. Und so geschah es. Seit 2017 ist Petra Deutsch mit ihrem Bauwagen „im Geschäft“. Reich werden in materiellem Sinne kann sie dabei aber nicht. Denn entlohnt wird die Unterkunft samt Verpflegung nach dem Motto: Wer hat und will, lässt beim Abschied eine Spende zurück; wer knapp bei Kasse ist, braucht nichts zu geben.
Was ist es also, das die Frau mit dem großen Herzen antreibt? „Die Freude anzukommen, die ich bei jedem Pilger, der bei uns einkehrt, spüre, überträgt sich auf mich. Jeder, der den Jakobsweg beschreitet, lässt sich auf neue Erfahrungen nein. Und ich natürlich auch.“
Und jetzt kommt die Gewissensfrage: Wieviele Kilometer hat Petra Deutsch schon auf dem Jakobsweg zurückgelegt? „Noch keinen“, gesteht sie etwas reumütig“, aber wenn meine Tochter in diesem Jahr ihr Abi in der Tasche hat, mache ich mich mit ihr auf den Weg.“

INFO
Die Unterkunft bei der Familie Deutsch ist von April bis September für Jakobspilger buchbar. Ab Juni kommt wieder der ursprüngliche Pilger-Bauwagen, der derzeit renoviert wird, zum Einsatz. Kontakt: petradeutsch-hp@hotmail.de.