Mittwoch, Dezember 25, 2024

Glück weitergeben: Ehepaar baut Schule für Kinder in Afrika

Anzeige

Werne. Ruhestand im wahrsten Sinn des Wortes ist nichts für Detlef Steinweg. Der gebürtige Werner bleibt lieber in Bewegung — indem er gemeinsam mit seiner Frau Dorothea eine Berufsschule in Gambia aufbaut.

Während einer Urlaubsreise geschah es: „Irgendwie haben wir uns in Gambia und in die Kinder dort verliebt“, sagt Detlef Steinweg. „Wenn Sie dieses Lachen in ihren Gesichtern sehen, die strahlenden Augen, obwohl sie wenig haben …“ Seine Frau Dorothea zückt ihr Handy, wischt mit den Fingern darüber, bis sie das gesuchte Bild gefunden hat: „Schauen Sie, wie begeistert sie bei der Sache sind.“ Es sind junge Menschen, die sich weit über einen Tisch beugen und zusehen, wie ein Brett ausgemessen wird.

- Advertisement -

Sie besuchen die „Steinweg Upper Basic and Technical School“, eine berufsvorbereitende Schule in der Nähe des Flughafens von Banjul, der Hauptstadt von Gambia. 2018 hatte das Ehepaar Steinweg mit dem Aufbau begonnen, vor zwei Jahren konnte die Einrichtung eröffnet werden. Inzwischen lernen dort 55 Mädchen und Jungen im Alter von 14 bis 24 Jahren. Zum kommenden Schuljahr erwarten die Steinwegs 72 Anmeldungen. „Endlich ist Leben in den Mauern“, sagt Detlef Steinweg und strahlt.

Eine Schülerin macht Pause. Zwei Drittel der Schüler sind Mädchen und junge Frauen.

Hinter dem „endlich“ stehen unterschiedliche Hindernisse, die es zu überwinden galt. Zunächst musste sich das Ehepaar ins gambische Schulsystem, in die Landesgesetze und Besitzverhältnisse einfuchsen. Eingeschult werden die Kinder mit sieben Jahren, eine Schulpflicht besteht bis zur sechsten Klasse. Das heißt aber nicht viel, wie die Steinwegs feststellen mussten. Obwohl sie ein Zertifikat besitzen, können viele Abgänger weder lesen noch schreiben. „Andere dagegen sind wirklich sehr gut in Mathe und Englisch“, berichtet Detlef Steinweg. Um die Unterschiede anzugleichen, gibt es Förderklassen an der Steinweg-Schule.

Unterrichtet wird von Klasse 7 bis 9. Im ersten Schuljahr lernen die Schülerinnen und Schüler die Bereiche Landwirtschaft und Gartenbau, Holzbearbeitung, Konstruktion, Metallbearbeitung und Hauswirtschaft kennen. Danach müssen sie sich für einen Schwerpunkt entscheiden und erhalten eine gründliche praktische Ausbildung. In allen drei Schuljahren werden außerdem Englisch, Mathematik und Informationstechnik (IT) als Pflichtfächer unterrichtet.

Vor dem Unterricht helfen Schüler freiwillig beim Gießen des Gartens.

Gerade der praktische Bereich liegt den Steinwegs am Herzen. Denn in Gambia gibt es kaum Berufsschulen. Und an den vorhandenen werden handwerkliche Kenntnisse eher akademisch vermittelt. „Da wird zwar der Bohrer an die Tafel gemalt, aber nicht in die Hand genommen“, erzählt Detlef Steinweg. Anders als in seiner Schule. In den Gebäuden gibt es neben einem Computerraum eine Schreinerei, eine Schneiderei sowie einen Raum für die Metallverarbeitung. Ein großes Grundstück dient dem Gartenbau. Aktuell wird eine Geflügelfarm gebaut.

Auf dieses Projekt ist das Ehepaar besonders stolz. Denn es ist das erste, an dem ihre Zöglinge von Anfang an mitgearbeitet haben. Die Kalkulation sowie die Planung der Konstruktion haben sie im Mathematik- und IT-Unterricht erarbeitet. Und beim Bau packen alle mit an. Einen Abnehmer für einen Teil des Geflügels gibt es schon: Kürzlich besuchte der deutsche Botschafter in Gambia, Klaus Botzet, die Schule. „Seine Frau ist Amerikanerin und arbeitet in der US-Botschaft“, erzählt Dorothea Steinweg. Ihr Mann Detlef ergriff die Gelegenheit und bot der Botschaft Bio-Truthähne aus der Schule zum Verkauf an. Ein Truthahnessen gehört in den USA zu Erntedank auf den Tisch.

Die Schüler engagieren sich auch außerhalb der Unterrichtszeiten. Vor Schulbeginn und am Samstag kommen sie, um „ihren“ Garten in der Trockenzeit zu bewässern. Von Eltern erhalten die Steinwegs dagegen wenig Unterstützung. „Als wir unser Projekt auf einer Dorfversammlung vorgestellt haben, erhielten wir sofort Zuspruch“, erinnert sich Detlef Steinweg. Als er tatsächlich Helfer brauchte, fand sich niemand. Geschätzt werde die Schule nicht nur der Bildung wegen: „Eine Mutter erzählte mir, sie sei froh, dass ihre Tochter bei uns zu essen bekäme, dann müsse sie für eine Person weniger kochen.“

Die Menschen in Gambia verdienen wenig, gerade auf dem Land, wo die Steinweg-Schule angesiedelt ist. „Viele Frauen kochen zusätzliche Portionen, um sie auf dem Markt zu verkaufen“, sagt Dorothea Steinweg. In den vergangenen Jahren hat das Ehepaar beobachtet, dass Islamschulen in die Lücken vorstoßen, die durch Armut und schlechte Bildungspolitik entstehen. Die Folge: Es seien inzwischen mehr junge Frauen mit Ganzkörperverschleierung zu sehen. Auch die gesetzlich verbotene Beschneidung von Mädchen werde nach wie vor praktiziert.

Das Erlernen praktischer Fähigkeiten wie hier in der Werkstatt für Holzverarbeitung wird in der Berufsvorbereitung an der Steinweg-Schule groß geschrieben.

Gute Lehrer zu finden ist schwer. Wegen der schlechten Bezahlung in Gambia übernehmen viele zwei Jobs, geben zum Beispiel nachmittags noch anderswo Nachhilfe oder unterrichten eine weitere Schülergruppe gegen zusätzliches Gehalt“, hat Detlef Steinweg festgestellt. Umso mehr freut es ihn, mit dem Gambier Felix Sambou einen „sehr guten“ Schulleiter gefunden zu haben. Die Lehrer werden für eine Arbeitszeit von 8.15 bis 16.15 Uhr eingestellt und für gambische Verhältnisse gut bezahlt.

Finanziert wird die Schule aus Spenden. Außerdem gründete das Ehepaar die Stiftung „Education for Gambia“ (Bildung für Gambia). Darüber wurde der Kauf des Schulgrundstücks realisiert. Tausende von Euro haben Dorothea und Detlef Steinweg bislang aus eigener Tasche investiert. Was sie an Zeit aufgewendet haben, lässt sich in Geld nicht umrechnen. Allein in diesem Jahr waren sie bereits für mehrere Monate auf eigene Kosten in Gambia, eine weitere Fahrt ist zum Jahresende geplant.

„Wir haben die Hoffnung, dass unsere Schülerinnen und Schüler ihr Land später weiterbringen“

Dorothea Steinweg

„Wir wollten etwas Gutes tun, mittlerweile ist es etwas größer geworden als geplant“, sagt Dorothea Steinweg. Trotzdem sei Aufhören keine Option. Zum einen seien da die Kinder. „Die machen einfach Freude“, darin ist sich das Ehepaar einig. Und sie wollen nach wie vor von dem Glück, dass sie hatten, etwas weitergeben. Das Glück, in Deutschland aufgewachsen zu sein, Eltern gehabt zu haben, die Gymnasium und Studium ermöglichten und „drei tolle Jungs bekommen zu haben, die uns stolz machen“. „Wir haben die Hoffnung, dass unsere Schülerinnen und Schüler ihr Land später weiterbringen“, sagt Dorothea Steinweg. „Wir erziehen sie zur Selbstständigkeit, auch zum kritischen Denken“, ergänzt ihr Mann.

Das Ehepaar arbeitet darauf hin, dass die Schule langfristig auf eigenen Beinen stehen kann. Sie konnten bereits Menschen gewinnen, die sich dort als Senior Experts zur Verfügung stellen – als Fachleute, die ihre Lebens- und Berufserfahrungen ehrenamtlich weitergeben. Um diese Helfer oder Praktikanten und Bundesfreiwilligendienstleister unterbringen zu können, wurden drei Appartements auf dem Schulgelände eingerichtet. Im September werden sie bezugsfertig sein, samt Dusche, WC, Mini-Einbauküche und Klimaanlage. „Wir hoffen, dass Menschen das Angebot annehmen werden und uns vor Ort unterstützen“, sagt Detlef Steinweg. Gerade auch mit Blick auf die anstehenden Projekte: die Einrichtung einer Elektrowerkstatt, den Ausbau des Gartens, der Mensa und der Küche, die Entwicklung eines Konzeptes für Touristenbesuche und für den Vertrieb der produzierten Lebensmittel. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt Detlef Steinweg, „aber es gibt noch viel zu tun.“

•  Weitere Informationen über die
Steinweg-Berufsschule finden Sie
hier: www.steinweg.school/de/

•  Wenn Sie die Schule finanziell,
mit einer Schulpatenschaft oder mit Fachwissen unterstützen möchten, können Sie sich an Detlef Steinweg, detlef@steinweg.nrw, wenden.

Anzeige

Weitere Artikel von Werne Plus

Wichtelstern-Aktion verschönert Kindern die Weihnachtstage

Duisburg/Werne. Vor dem Eingang zur Herz-Jesu-Kirche bildete sich am Freitagnachmittag eine lange Schlange. Kinder voller Vorfreude waren mit ihren Eltern in den weihnachtlich geschmückten...

„Kolping ist Gemeinschaft“: Angebote im Jahr 2025

Werne. "Kolping ist Gemeinschaft" - unter dieses Motto stellt die Kolpingsfamilie Werne ihr Angebot für 2025. Das Leitungsteam möchte jeden für die Sache Kolping...

Öffentliche Führung mit Kaffeetrinken im Stadtmuseum

Werne. Das Stadtmuseum lädt zu einem Museumsnachmittag „zwischen den Jahren“ ein. Thema im Dezember: „Kirche – Kanzel - Kasel“. An den ruhigen Tagen nach Weihnachten...

SC Union ist eine Nummer zu groß für TV-Volleyballdamen

Werne. Die Oberliga-Volleyballerinnen des TV Werne haben ihr letztes Spiel im Jahr 2024 gegen den favorisierten SCU Lüdinghausen deutlich verloren. Beim Wiedersehen mit der...