Stockum. Trotz der Coronakrise gehen bei Katharina und Johannes Laurenz kontinuierlich Bestellungen für Weihnachtsgänse ein. Oder vielleicht auch gerade wegen der Krise. „Ich glaube viele stellen sich darauf ein, zum Weihnachtsessen nicht ins Restaurant zu gehen, sondern zu Hause zu kochen“, vermutet Katharina Laurenz. Was die Freilandaufzucht und den Verkauf von Gänsen, Puten und Enten betrifft, geht auf dem Hof Schulze Blasum in Stockum alles seinen gewohnten Gang.
Hinter dem Hof erstreckt sich eine weitläufige Wiese, auf der eine Gänse- und eine Putenherde den Tag verbringen. Zum Schutz vor Füchsen, Mardern oder Waschbären kommen sie über Nacht in einen ausgedehnten Stall. Am Wiesenrand wurde ein Maisstreifen gepflanzt, der den Tieren Schatten und Gelegenheit zum Scharren bietet. Sobald sie eine Bewegung am Zaun wahrnehmen, rotten sich die Puten zusammen und schauen, was los ist.
Nicht so die Gänse. Die haben sich ans äußerste Ende der Wiese zurückgezogen. Was ihnen fremd ist, wird misstrauisch beäugt. „Die Tiere haben ihre Eigenarten, das müssen wir bei der Haltung berücksichtigen“, sagt Johannes Laurenz. So hat er die Erfahrung gemacht, dass es für die Gänse großen Stress bedeutet, wenn versehentlich die Leittiere zum Schlachten herausgefangen werden. Um das zu vermeiden, haben er und seine Mitarbeiter ihre Taktik geändert, sobald eine bestimmte Menge an Tieren zum Schlachter kommt: Wenn die Gänse aus ihrem Nachtquartier hinter dem Leittier zur Wiese watscheln, wird der hintere Teil der Herde behutsam zurückgehalten.
Geschlachtet werden die Gänse auf dem Geflügelhof Schulze-Kissing in Bergkamen. „Mit der Familie arbeiten wir seit Jahren gut zusammen“, sagt Laurenz. Der Weg dorthin ist kurz, was für die Tiere weniger Stress bedeutet. Außerdem werden sie frühzeitig an den Transport-Anhänger gewöhnt. „Den stellen wir immer wieder auf der Wiese ab und treiben die Tiere auch mal dort rauf“, erklärt Johannes Laurenz.
Der Respekt vor den Lebewesen gehört zu seinem Ehrenkodex. Übertragen auf die Freilandaufzucht seines Geflügels bedeutet das für Laurenz auch, soweit wie möglich auf Eingriffe in die Natur zu verzichten. So erhält sein Federvieh eine natürlich Wurmkur – in Form einer Leibspeise: Eicheln. Die Früchte der Eichen, die die Freilaufwiese und die Hofzufahrt säumen, enthalten Gerbsäure. „Die wirkt wie eine natürliche Wurmkur“, erklärt Laurenz. Den Verzicht auf Medikamente schmeckt man. „Als ich das erste Mal eine unserer eigenen Puten gegessen habe, war das ein himmelweiter Unterschied zu den Masttieren“, erinnert sich der Landwirt.
Die artgerechte Haltung hat allerdings ihren Preis. Immer mehr Menschen sind bereit, den zu zahlen. Für Johannes Laurenz könnten es aber noch mehr sein: „Der Markt verändert sich nicht, indem man nur über biologische Landwirtschaft spricht. Da sind auch die Konsumenten gefragt.“
Wer an den Weihnachtsfeiertagen eine knusprige Biogans servieren möchte, sollte diese rechtzeitig bestellen. Von Spontankäufen zwei Tage vor Heiligabend rät Laurenz ab. „Dann müssen Sie schon großes Glück haben, um noch eine Gans oder Ente von uns zu bekommen.“