Werne. Barrierefreiheit in der Stadt, in öffentlichen Gebäuden und in Gastronomien bedeuten für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Dass die Realität hier oftmals anders aussieht, erlebt Marius Gellert, der seit einigen Jahren in Werne wohnt, im Alltag immer wieder. Nach einer Meningitis-Erkrankung mit sehr schweren gesundheitlichen Folgen ist er stark geh- und sehbehindert sowie auf den Rollstuhl angewiesen.
Türschwellen, Treppenstufen oder ein Blumentopf, der etwa in der City Mall den Zugang zum Behinderten-WC verengt, das fehlende Piktogramm für die barrierefreie Toilette – derlei Hindernisse begegnen Rollstuhlfahrern oder auch Gehbehinderten, die beispilesweise einen Rollator zur Unterstützung nutzen, immer wieder, so Gellert. Dabei wären längst nicht immer nur größere bauliche Maßnahmen notwendig, um Abhilfe zu schaffen, zeigt er sich im Gespräch mit WERNEplus überzeugt. Grundsätzlich gilt: Da ist noch Luft nach oben.
Die Sprechstunden des Sozialverbands VdK, Ortsverband Werne am Roggenmarkt 13, sind ebenfalls nicht barrierefrei erreichbar. Darauf weist der Ortsverband, der in allen sozialrechtlichen Fragen vom Schwerbehinderten- bis zum Rentenrecht berät, auch selbst auf seiner Homepage hin. „Versuchen Sie mal, eine Praxis für Psychologie mit rollstuhlgerechtem Zugang zu finden“, nennt Marius Gellert ein weiteres Beispiel. „Überall finden sich Hindernisse, immer Treppen“, ergänzt er.
Doch nicht nur Arztpraxen, Behörden, öffentliche Gebäude oder der Elternabend in der Schule sind für den Rollstuhlfahrer allein oft nur schwierig zu erreichen. Auch beim Thema Freizeit zeigten sich immer wieder Hindernisse, schildert er. Denn Kneipen, Restaurants und Cafés verfügten längst nicht immer über ein barrierefreies WC.
Bei Veranstaltungen wird der Weg zum barrierefreien öffentlichen WC lang
In der Werner Innenstadt gibt es drei rollstuhlgerechte öffentliche Toiletten, die mit dem Euroschlüssel (s.u.) zugänglich sind: am Busbahnhof neben der Radstation, am Parkplatz Griesetorn und am Stadtsee an der Saline. Bei größeren Veranstaltungen mit viel Publikum in der Innenstadt aber ist der Weg dorthin im Rollstuhl oder mit Rollator nur mit einigem Zeit- und Kraftaufwand zu bewältigen. Für alle, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, bedeutet dies, entweder den mühsamen Weg bis zu einer der barrierefreien Toiletten hinzunehmen oder die Veranstaltung zu verlassen.
„Traurig und wütend zugleich“, so beschrieb Marius Gellert denn auch seine Gemütslage, als vor einigen Wochen Rolli-Fahrer wie er sowie andere körperhinderte Besucher beim publikumsstarken Weinfest vor den Stufen des Toiletten-Wagen kapitulieren mussten, weil eine barrierefreie Variante fehlte.
Für die Genehmigung der Veranstaltung sei dies nicht vorgeschrieben, erfuhr Gellert nach eigenen Angaben vom Ausrichter. Ein Sachverhalt, den Werner Kneip vom Ordnungsamt bestätigte. Eine Vorschrift, dass bei Veranstaltungen ein Behinderten-WC bereit gestellt werden müsse, gebe es nicht, sagte er auf Nachfrage. Ist die Stadt selbst Veranstalter, wie bei der Kirmes, fordere man dies allerdings ein, so Kneip.
Homepage mit vielen Infos für bessere Planbarkeit
Mit der Idee einer Homepage, die über „Barrierefreiheit und rollstuhlgerechte Zugänge und Toiletten in der Stadt Werne“ informiert, möchte Marius Gellert die Planbarkeit für Menschen mit einer Mobilitätseinschränkung verbessern, die in der Stadt unterwegs sind und öffentliche Einrichtungen und Gastronomien nutzen sowie Veranstaltungen besuchen möchten. Auf der geplanten Homepage soll unter anderem darüber informiert werden, wo barrierefreie Zugänge und Toiletten vorhanden sind und welche Öffnungszeiten es gibt.
Erläutert wird auf der Webseite außerdem, welche Voraussetzungen man benötigt, um einen Euroschlüssel zu bekommen. „Der Euroschlüssel ist ein 1986 vom CDF Darmstadt-Club Behinderter und ihrer Freunde in Darmstadt und Umgebung e.V. eingeführtes (…) Schließsystem, das es körperlich beeinträchtigen Menschen ermöglicht, Zugang zu behindertengerechten Sanitäranlagen und Einrichtungen zu erhalten, z.B. an teilnehmenden Autobahn- und Bahnhofstoiletten, aber auch für Toiletten in Fußgängerzonen, Museen oder Behörden“, heißt es.
Ferner enthält die geplante Homepage Informationen für Gastronomen zu Gesetzesvorgaben etwa zum Denkmalschutz, zum barrierefreien Bauen, Links, Kontaktdaten und mehr. Bevor die Webseite aber freigeschaltet werden könne, benötige er die Auskünfte aus der Gastronomie darüber, ob eine barrierefrei erreichbare Sanitäranlage vorhanden sei oder nicht. Deshalb habe er per Email um entsprechende Auskunft gebeten, schildert er. Noch seien nicht alle beantwortet worden, sagt er und hofft auf weiterer Rückmeldungen.
Darüber, was man in Abstimmung mit den Ausrichtern von Veranstaltungen in der Innenstadt im Sinne Barrierefreiheit und der Teilhabe von Menschen mit Handicap umsetzen könnte, möchte Gellert mit den Verantwortlichen bei der Stadt ins Gespräch kommen und hofft auf Interesse, hier bei beliebten Anlässen des Werner Veranstaltungskalenders für einfache Zugänglichkeit zu sorgen.