Werne. Die Grundsteuerreform werde auch in Werne zu massiven Verschiebungen zwischen der Besteuerung von Wohngrundstücken und Nichtwohngrundstücken führen, hieß es vor der Sommerpause im Haupt- und Finanzausschuss.
Kämmerer Marco Schulze-Beckinghausen beschrieb die herausfordernde Situation für die Stadt Werne und bezifferte die finanziellen Auswirkungen für die Stadtkasse nach gegenwärtigem Kenntnisstand mit einem kleinen siebenstelligen Betrag.
Hintergrund: In seinem Urteil vom 10. April 2019 hatte das Bundesverfassungsgericht das bisherige System als verfassungswidrig erklärt, da es mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar sei, erläuterte Krüger zur Ausgangslage. So beruhten die Wertfeststellungen auf zu alten Grundlagen, die im Osten auf das Jahr 1935 und im Westen auf 1964 basierten. Künftig lautet die Zielsetzung, (Einheits-) Werte von Grundstücken zu ermitteln, die dem Verkehrswert des Grundstücks zumindest nahekommen. Die Anwendung des alten Rechts, so der Richterspruch, ist längstens bis zum 31. Dezember 2024 möglich.
In der Sitzung gab Stephan Krüger, persönlicher Referent des Kämmerers, in seiner Präsentation https://buergerinfo.werne.de/sessionnet/buergerinfo/to0050.asp?__ktonr=29427 einen Überblick über die komplexe Materie.
So wird berechnet
Die Grundsteuerreform erfolgt in drei Stufen: 1. Die Berechnung des Grundstückswerts nimmt das Finanzamt entlang des gesetzlich festgelegten Verfahrens vor. Aus dem bisherigen Einheitswert wird künftig der Grundsteuerwert. 2. Die Anwendung der ebenfalls gesetzlich festgelegten Steuermesszahl berechnet das Finanzamt. 3. An diesem Punkt kommt die Kommune ins Spiel. Sie legt den Hebesatz für die Bewertung der Grundstücke in ihrer Haushaltssatzung fest. In Werne beträgt der Hebesatz der Grundsteuer B aktuell 665 Prozent.
Bei der Bewertung der Grundstücke wird nach unbebauten und bebauten Grundstücken unterschieden. Der Grundstückswert von Wohngrundstücken (Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohnungsgrundstücke, Wohneigentum) auf der einen sowie von Nicht-Wohngrundstücken (Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Teileigentum oder sonstige bebauten Grundstücke) auf der anderen Seite.
Anspruch „Aufkommensneutralität“
Auch nach der Reform muss das Aufkommen der Grundsteuer gleich bleiben. Das müssen die Kommunen sicherstellen. De facto bedeutet dies aber nicht, dass nach der Reform jeder genauso viel zahle wie zuvor, denn eine Belastungsneutralität gebe es nicht, machte Krüger deutlich.
Beispiel: So kann es sein, dass ein Grundbesitzer vor der Reform 1.200 Euro gezahlt hat und ein zweiter 800 Euro. Nach der Reform zahlt dann der erste Grundbesitzer 900 Euro. der zweite aber wird mit 1.100 Euro belastet. In beiden Fällen liegt das Steueraufkommen folglich bei 2.000 Euro und die Kommune stellt die Aufkommensneutralität sicher. Allerdings verschiebt sich dabei die Belastung der Grundstücksbesitzer, will heißen, es gibt Gewinner und Verlierer. Effekt hieraus könne sein, dass der Grundstücksmessbetrag für Gewerbe sinke und für Wohnen steige, schilderte Stephan Krüger mögliche Folgen. Mit einer Anpassung der Steuermesszahl könne man laut Argumentation der nordrhein-westfälischen Landesregierung frühestens zum 1. Januar 2026, nicht aber zum 1. Januar 2025 reagieren, erläuterte er.
Landesregierung NRW: Differenzierte Hebesätze der Grundsteuer B
Um den Kommunen ein Mittel an die Hand zu geben, die Grundsteuer aufkommensneutral berechnen zu können, empfiehlt die Landesregierung NRW die Einführung von differenzierten Hebesätzen bei der Grundsteuer B. Damit ließen sich die gleichen Einnahmen erzielen wie bisher.
Wie die Finanzverwaltung Lüdinghausen in einer Medieninformation jetzt mitteilte, „stellt (die Finanzverwaltung NRW) den Kommunen fiktive Hebesätze zur Verfügung mit denen die Grundsteuerreform aufkommensneutral umgesetzt würde – das heißt: Die Kommune würde mit diesen Hebesätzen insgesamt die gleichen Einnahmen aus der Grundsteuer erzielen wie bisher.“ (Auch für den Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Lüdinghausen sind diese aufkommensneutralen Hebesätze unter www.grundsteuer.nrw.de öffentlich abrufbar.)
Für Werne läge der von der Finanzverwaltung empfohlenen (nicht vorgeschriebene) fiktive Hebesatz der Grundsteuer B demnach bei 877 Prozentpunkten, also um mehr als 200 Prozentpunkte höher als im Haushalt 2024 (s.o.). Bei einer Hebesatz-Differenzierung sollen für Wohngebäude demnach 726 und für Nichtwohngebäude 1.282 Prozentpunkte gelten.
Teil 2 zur Grundsteuerreform lesen Sie am Donnerstag bei WERNEplus.