Ein Kommentar.
Werne/Lünen. Hilflose Geschöpfe haben ein Anrecht auf den Schutz unserer Gesellschaft. Nutztiere sind hilflos. Wie sehr, das zeigen die Videoaufnahmen, die der Verein Soko Tierschutz in der Viehsammelstelle der Firma Mecke machte.
Der Anblick der Grausamkeiten, denen todkranke Kühe und Kälber ausgesetzt waren, ist nur schwer auszuhalten. Ebenso schwer auszuhalten ist sicherlich für viele der Urteilsspruch des Amtsgerichts Lünen gegen einen Mitarbeiter des Unternehmens: zwei Jahre auf Bewährung.
Der Staatsanwalt hatte sechs Monate mehr gefordert – damit wäre der Angeklagte unweigerlich ins Gefängnis gewandert. Das Gericht entschied nach gründlicher Abwägung und im Rahmen der aktuellen Gesetzgebung, dem Mann noch eine Chance zu geben. Gewichtete also den bessernden Aspekt des Strafrechts stärker als den strafenden. Ob zu Recht, wird die Zukunft zeigen.
Aber selbst eine zu verbüßende Haftstrafe hätte das grundsätzliche Problem nicht aus der Welt geschafft: Der Mann war Einzeltäter innerhalb eines Systems. Eines Systems, das der Staatsanwalt als „organisierte Kriminalität“ einstufte. Massentierhaltende, Viehhändler/innen und Schlachtende sind schnell als Sündenböcke ausgemacht. Leider in zu vielen Fällen zu Recht. Auch Veterinärämter müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, oft nicht genau genug hinzusehen. Doch sie agieren im Schutz einer Gesellschaft, die immer noch nicht bereit ist, für artgerechte Tierhaltung zu bezahlen.
So erklärt sich, warum der eine oder andere Hofladen seine Öffnungszeiten reduziert, weil nicht genug Kunden kommen. Fleisch in Supermarktketten ist halt preiswerter. Den Preis bezahlen Tiere, die uns nichts wert sind. Daher ist unsere gerechte Empörung angesichts der Aufnahmen der „SOKO Tierschutz“ auch nur dann etwas wert, wenn wir unser Einkaufsverhalten konsequent umstellen. Wenn wir die heimlich angefertigten Bilder nicht zu schnell wieder vergessen, für die der Tierschutzverein Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch riskiert hat. Wenn die lautstarke Empörung nicht verklingt, sobald die Demo-Plakate für Tierwohl herabgesunken sind.