Werne. Ein ausgemustertes Notarztfahrzeug des Werner Rettungsdienstes ist auf dem Weg in die Ukraine. Es wird in der Kreisstadt Korez im Nordwesten des Landes eingesetzt.
Eine vierköpfige Delegation mit Bürgermeisterin Lyudmila Dmytruk machte sich am Mittwoch (06.09.2023) auf die 1.500 Kilometer lange Reise nach Westfalen, um den generalüberholten Landrover persönlich abzuholen. Am Freitag ging es bereits zurück in die Heimat, mit einem Zwischenstopp im polnischen Walcz, mit dem Korez ebenso wie Werne eine Städtepartnerschaft unterhält.
Das Fahrzeug werde dringend in der vom russischen Angriffskrieg gezeichneten Stadt benötigt, sagte die Bürgermeisterin am Donnerstag bei einem Treffen mit Bürgermeister Lothar Christ, der Partnerschaftsbeauftragten Stephanie Viefhues und den Vertretern aller Ratsfraktionen. „Wir sind dankbar für Eure großzügige Unterstützung und Eure Solidarität“, sagte das Stadtoberhaupt aus der Ukraine.
Seit Beginn der russischen Invasion im Frühjahr vergangenen Jahres leisten die Partnerstädte Werne, Bailleul, Walcz und Kyritz Hilfe in der Ukraine. Fahrzeuge der Feuerwehr und des Rettungsdienstes, Stromaggregate und weitere technische Hilfsmittel haben seitdem den Weg aus den vier Städten nach Korez und Bychawa, einer weiteren Partnerstadt von Walcz, gefunden. „Wir alle stehen an der Seite der Ukraine, und wir werden Sie auch weiterhin nach Kräften unterstützen“, versicherte Bürgermeister Lothar Christ seiner Amtskollegin.
Persönlich kennen gelernt haben sich Christ und Lyudmila Dmytruk im April bei den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Partnerschaftsjubiläum in Walcz. „Ich habe Sie gefragt, was am meisten fehlt, wie wir helfen können. Sie sagte, Fahrzeuge für den Rettungsdienst“, so Christ. Mit den Ratsfraktionen sei man anschließend schnell einig geworden, den außer Dienst gestellten Landrover nicht wie geplant zu verkaufen, sondern für den Einsatz in Korez zu spenden. Christ: „Sie sind Freunde unserer Freunde und somit auch unsere Freunde.“
Wie sehr die Menschen unter Putins Angriffskrieg leiden, welche Auswirkungen die russische Aggression auf das Leben der Menschen in der Ukraine hat, berichtete Lyudmila Dmytruk in einem emotionalen Vortrag, der in der Runde Betroffenheit auslöste. In Korez leben 8.000 Menschen, der Kreis hat insgesamt 28.000 Einwohner. Der im Nordwesten des Landes gelegene Kreis ist mehrere hundert Kilometer von der umkämpften Front entfernt, dennoch ist der Krieg allgegenwärtig. „1.000 Frauen und Männer aus unserer Region kämpfen an der Front, 50 sind in den vergangenen Monaten gefallen“, berichtete die Bürgermeisterin. Jüngstes Opfer ist ein 19-Jähriger, die Nachricht über den Tod des jungen Mannes erreichte die Delegation während der Anreise nach Werne. 1.600 Flüchtlinge aus den Frontgebieten habe der Kreis mit Kriegsbeginn aufgenommen.
„Wir leben weiter, wir arbeiten weiter, wir helfen unserer Wirtschaft, damit die Ukraine überleben kann“, sagte die Bürgermeisterin. Mit dem Beginn des Krieges seien Fahrzeuge und Geräte des Rettungsdienstes und der Feuerwehr für den Einsatz an der Front abgezogen worden, dank der Unterstützung aus den Partnerstädten seien die Lücken zum Teil wieder gefüllt. Walcz und die zweite polnische Partnerstadt Bychawa hätten sofort reagiert und Fahrzeuge nach Korez geschickt.
Angriffe auf die Stadt bzw. den Kreis habe es bisher noch nicht gegeben, doch die Gefahr, dass eine Rakete die Region ins Visier nimmt, sei jederzeit da. Bis zu zehn Alarme gebe es pro Tag, dann müssten sich die Menschen so schnell es geht in sichere Schutzräume begeben. Doch davon gebe es nicht genug, vor allem für die vielen Kinder in den Schulen, berichtete die Bürgermeisterin. In Eigenregie würden die Bürger deshalb Bunker bauen. Auch die Ausrüstung für die Soldaten, die an die Front geschickt wurden, sei von den Bürgern gestellt worden. „Wir organisieren dafür Basare und Märkte, um das zu finanzieren und das Militär beim Freiheitskampf zu unterstützen “, berichtete Lyudmila Dmytruk. Doch das reiche nicht aus, man sei auf Unterstützung angewiesen. Dringend benötigt würden Baumaterialen und Baumaschinen, aber auch Einrichtungsgegenstände für die Schutzräume. Und Stromaggregate, denn immer wieder falle nach Bombenangriffen der Russen auf die Elektrizitätsversorgung des Landes der Strom aus.
Die Stadt Werne habe bereits vier Stromaggregate gespendet, außerdem sei ein ausgedienter Mannschaftstransportwagen der Feuerwehr nach Korez geschickt worden. Die Hilfe der Partnerstädte werde zentral in Walcz organisiert, sagte Bürgermeister Lothar Christ. Alle Partnerstädte seien sich einig, dass diese Unterstützung fortgesetzt wird. „Diese Botschaft können Sie mit in die Ukraine nehmen.“
Lyudmila Dmytruk, ihr Stellvertreter Yuriy Dobrovolsky, sowie die Ratsvertreter Iryna Opanasyuk und Andrii Chekalsky traten bewegt die strapaziöse Heimreise an, nicht ohne eine Einladung zu einem Besuch in ihrer Stadt auszusprechen. Und den Wunsch, eine Städtepartnerschaft mit Werne zu gründen. Lothar Christ versicherte der kleinen Delegation, über dieses Anliegen in den politischen Gremien zu sprechen. „Auch unsere Partnerschaft mit dem polnischen Walcz begann vor 40 Jahren mit Hilfstransporten, die von Bürgern organisiert wurden.“