Werne. Das Leben und Geschehen in der Stadt Werne vom 19. Jahrhundert bis heute wird von Sonntag, 27. November 2022, im Stadtmuseum erlebbar.
Um 11 Uhr eröffnet Museumsleiterin Dr. Constanze Döhrer nach langer Umbauphase die neu konzipierte Dauerausstellung im ersten Obergeschoss des Museums. Die nimmt das interessierte Publikum mit in eine Zeit, die von großen Umbrüchen geprägt war und widerspiegelt, wie die Menschen den Wandel aufgenommen haben.
Multimedial, modern und flexibel setzt das Konzept der Schau die Stadtgeschichte in dieser Zeitspanne in sechs Räumen in Szene. Modulwände mit vielfältig einsetzbaren Schaukästen nehmen die Objekte auf und rücken sie ins Blickfeld des Betrachters. Touchpads liefern den Museumsbesuchern Informationen oder auch Licht und Töne. Einfach das Objekt aus dem Schaukasten auf dem Touchpad antippen und lesen.
Die Ausstellung lebt davon, dass Objekte ausgewechselt und durch andere aus dem Museumspool ersetzt werden können, erklärte Dr. Döhrer gegenüber WERNEplus zur Konzeptidee. Die Gestaltung der Museumsräume folgt dabei dem Prinzip „weniger ist mehr“ und verleiht den historischen Stücken aus Wernes Stadtgeschichte so eine angemessene Wirkung.
Direkt am Treppenaufgang werden die geschichtsbewegten Besucher/innen mitgenommen in die Zeit des frühen 19. Jahrhunderts, als Werne preußisch wurde. „Das war ein Kulturschock für die Bürgerschaft, die damals noch am Klerus in Münster ausgerichtet war“, so Döhrer. Eine besondere Schrift belegt, dass von 1806 bis 1813 Kaiser Napoleon höchst selbst die Aufsicht über des damaligen Großherzogtums Berg und Kleve übernahm.
Besonders interessant für die Historikerin ist ein handschriftlicher Hinweis unter dem Dokument, der die erste schriftliche Erwähnung der jüdischen Synagoge enthält. Dort sei, so die Anmerkung, das Schriftstück publiziert worden.
In der Mitte erinnert die Ehrentafel aus dunklem Holz an die Gefallen der beiden Kriege von 1813 bis 1815 und 1870/71. Lange Zeit habe die Tafel mit vielen noch heute bekannten Werner Familiennamen auf dem Dachboden der St.-Christophorus-Kirche ein verborgenes Dasein gefristet und sei dann zunächst im Anbau des Museums präsentiert worden, schilderte Dr. Döhrer. Flankiert wird die Ehrentafel unter anderem von zwei Gewehren und zwei Pickelhauben.
Lippebrücke und Zechen-Anstich führen Stadt in die Moderne
Das 19. Jahrhundert brachte mit der Überbrückung der Lippe eine Öffnung nach außen und nahm die Stadt Werne mit in die Moderne. Eine Postkarte aus der Zeit um 1900 zeigt den Brückenbau, der die Werner Stadtgesellschaft in die Moderne mitnahm. Das Motiv in Großformat ziert die Wand des Museumsflures und lenkt das Interesse auf diese wichtige Infrastrukturmaßnahme.
Der erste Raum widmet sich der wirtschaftlichen und städtebaulichen Entwicklung der Siedlungen. Ein Meilenstein war 1899 der Anstich der Zeche Werne. Die damalige Struktur, die von Handwerk und Handel geprägt war, brach auseinander, es gab viel Zuzug, die Wirtschaftskraft wuchs, ebenso das Unternehmertum, skizzierte die Museumsleiterin den Umbruch. Das Solebad, das seine Natursole aus dem Bergwerk bezog, wurde zum Markenzeichen. Zwei Spaten, einer vom Anstich der Zeche und einer vom Amazon-Spatenstich symbolisieren den Wandel.
Medizinische Instrumente wie überdimensionale Spritzen oder ein Amputationsbesteck aus der Praxis von Dr. Hövener klären über den vielschichtigen Behandlungsalltag des Mediziners auf und dürften so manchen Betrachter zum Staunen und vielleicht auch ein wenig zum Gruseln bringen.
Dank vieler gespendeter Gegenstände, Kleidungsstücke, zweier originalen Motiv-Fenster aus der Moormann-Fabrik sowie einem reich verzierter Kachelofen der Familie Moormann zeugen ebenso aus der Vergangenheit, wie viele Alltagsgegenstände aus Haushalt und Arbeitsleben. Das Modell des 1928 erbauten Bahnhofs ist in Blickfang eines weiteren Raumes. Die feierliche Eröffnung des Bahnhofs, Stadtansichten und Festereignisse der Vereine sind in Filmaufnahmen festgehalten, die zum Teil noch heute wiedererkennbare Seiten der Stadt zeigen.
Im Schaudepot finden sich Exponate, die aus dem Museumsfundus zurück in die Regale und Schaukästen geholt wurden. Die steinerne Ölmühle, Marzipan- und Buttermodel, das Horn des Nachtwächters, ein buntbemalte Schaukelpferd und vieles mehr.
An die beiden Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erinnern besondere Ausstellungsstücke, die dem Museum von Werner Bürger/innen überlassen wurden. Ein Schreibsekretär von Marga Spiegel und eine historische Aufnahme des Geschäftshauses des jüdischen Hutmachers Gumpert sind zusehen und thematisieren Verfolgung, Misshandlung und Deportation der jüdischer Bürger und die Ereignisse der Pogromnacht 1938 vor Ort.
Apropos Wandel: An die Ausstellung schließt sich – last not least – ein Raum an, in dem geprüft und beraten werden soll, welche Entwicklungen, Umbrüche und Exponate aus der Gegenwart für kommenden Generationen Einzug ins Museums halten sollen. „Seit 2019 haben Corona-Pandemie, Klimawandel und Ukraine-Krieg viele Veränderungen mit sich gebracht. Wie erleben die Menschen heute den Wandel und wie gestalten sie ihn?“, lautet die Fragestellung, so Döhrer. Die Antworten auf werden im Zukunftsraum gefunden und die dazugehörigen Objekte irgendwann in den Schaukästen zu sehen sein…