Werne. Zuhause bleiben statt Pakete packen: Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten des Werner Amazon-Logistikzentrums im Wahrbrink erneut zum Corona-gerechten Streik aufgerufen. Heute (Montag) und am Dienstag will die Gewerkschaft durch die Arbeitsniederlegung wieder einmal ihrer Forderung nach Einführung eines Tarifvertrags für die Beschäftigten der Amazon-Lager Nachdruck verleihen. Neben Werne wird der Streik auch an den Standorten Rheinsberg, Bad Hersfeld, Leipzig, Koblenz und Graben durchgeführt. Eine Kundgebung vor den Toren der Lager findet wegen der Pandemie nicht statt.
Wie viele Mitarbeiter sich beteiligen, konnte der für Werne zuständige Gewerkschaftssekretär Philip Keens auf Anfrage von WERNEplus am Montagmorgen noch nicht sagen. Wohl aber, dass die Arbeitsniederlegung den Betrieb des Logistikzentrums empfindlich stören wird. Mit Lieferverzögerungen sei zu rechnen. Der aktuelle Arbeitskampf falle mit dem Nationalfeiertag in Polen am 3. Mai zusammen. „Die Amazon Standorte in Polen dienen Amazon als Ausweichmöglichkeit bei Arbeitskämpfen in Deutschland“, heißt es in einer Pressemitteilung von Verdi.
Der Streik steht laut Verdi-Angaben unter dem Motto „Tarifflucht beenden, Dumpinglöhne bekämpfen“ und findet pünktlich zum Beginn der Tarifverhandlungen für den Einzel- und Versandhandel statt. Bereits seit Jahren fordert die Gewerkschaft vom Online-Konzern die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels sowie den Abschluss eines Tarifvertrags „Gute und gesunde Arbeit“.
Amazon hat diese Forderung bisher abgelehnt, mit dem Verweis auf überdurchschnittliche Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen. Dem widerspricht die Gewerkschaft Verdi. „Die jüngsten Medienberichte etwa über das Verbot von FFP2-Masken bei Amazon in Winsen/Luhe zeigen einmal mehr, wie notwendig verbindliche Regelungen bei Amazon sind“, erklärt Orhan Akman, der bei Verdi für den Einzel- und Versandhandel zuständig ist, in der Pressemitteilung.
Den Gewerkschafter empöre, dass Amazon zwar Anfang vergangenen Jahres Mitglied im Handelsverband Deutschland (HDE), dem Arbeitgeberverband des Einzelhandels, geworden sei, sich aber weiter der Tarifbindung entziehen wolle, schreibt Verdi weiter. „Wir fordern in den Tarifrunden der verschiedenen Bundesländer Gehaltssteigerungen von 4,5 Prozent plus 45 Euro bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Außerdem darf kein Stundenlohn unter 12,50 Euro liegen. Das muss auch für die Kolleginnen und Kollegen bei Amazon gelten“, so Akman.
Zudem weise er Angaben des Unternehmens zurück, wonach Amazon bereits jetzt Gehälter oberhalb der Tariflöhne zahle: „Das ist eine Mogelpackung. Weder Einmalzahlungen, Corona- und Streikbruchprämien oder die Ausgabe einzelner Aktien sind ein Ersatz für existenzsichernde Tariflöhne.“ Der Gewerkschafter sehe Bundestag, Bundesregierung und Europäische Union in der Pflicht, Amazon endlich in die Verantwortung zu nehmen: „Im Online- und Versandhandel ist Amazon nicht irgendein Akteur auf dem Markt, sondern Amazon als Monopolkapitalist ist der Markt und bestimmt die Bedingungen.“ Die Finanzmacht des Konzerns sei nicht nur eine Gefahr für viele andere Unternehmen, sondern mittlerweile auch für die Demokratie. Deshalb müsse dieser Markt reguliert werden. Der Staat dürfe dabei nicht erpressbar sein und müsse die Einhaltung der Spielregeln auch bei Amazon durchsetzen.
Amazon behaupte in Italien, Einzelhändler zu sein, da dort im Einzelhandel schlechtere Tarifverträge gelten. In Deutschland würde das Unternehmen wiederum behaupten, es sei Logistiker, ergänzt Philip Keens. „Außerdem wird in Deutschland die Möglichkeit, zwei Jahre sachgrundlos zu befristen, von Amazon schamlos ausgenutzt. Jedes Quartal werden hunderte Mitarbeiter neu eingestellt. Fast immer befristet, und somit ohne sichere Zukunftsperspektive. Das ist in normalen Zeiten schon ein Skandal, im Zuge einer weltweiten Pandemie ist es vielmehr eine unerträgliche Ungerechtigkeit gegenüber den vielen tausend Arbeitern in ganz Deutschland, die ihre Knochen für Amazon hinhalten“, so der Gewerkschaftssekretär.